Rote Füsse

Meine Füsse werden nicht mehr sauber, auch mit der Bürste nicht. Sie sind rot und bleiben rot. Ich weiss nicht so recht, ob ich den Rest von meinem Körper den Füssen anpassen soll, dann würden die Füsse weniger auffallen. Sie ist krass die rote Erde, sie ist überall. Wenn du ein Möbelstück berührst sind deine Hände rot, das Geschirr, das du seit mehr als einem Tag nicht gebraucht hast, rot, alles rot. Da hoffe ich doch, dass meine Füsse bis zum nächsten Sommer wieder ihre frühere Farbe zurück haben.

Kamerun und Covid. Wie ihr sicher gelesen habt, ist in Frankreich eine neue Variante aufgetaucht und wer hat sie gebracht? Ein Reisender aus Kamerun. Und dann wird auch noch behauptet, dass Kamerun ein Hochrisikogebiet ist. Und hier? Man merkt überhaupt nichts. Covid gibt es nicht, Covid ist kein Thema. Heute ist Markttag, die Leute wuseln dicht gedrängt durch die Stände, eigentlich wäre eine Maskenpflicht, aber auf tausend Leute tragen etwa drei eine Maske. Auf der Webseite vom Ministerium für Gesundheit, Minsante, gibt es einen Zähler, letztes Update, der 08.04.2021. Irgendwie ein wenig gruslig. Es ist unmöglich, abzuschätzen wie die Situation tatsächlich ist. Ich habe nicht Angst, dass ich schwer an Covid erkranke, aber ich möchte auf gar keinen Fall am 28. Januar mit einem positiven Testresultat in einem Hotel in Douala feststecken.

Und wenn man dann forscht, Covid Kamerun duckduckgot, dann landet man auf dem auswärtigen Amt der Deutschen und ein Plan zerschellt. Der Plan war, ich verbringe meine letzten Tage in Kamerun in Limbé am Meer. Nun wird aber vom 09.01. bis zum 09.02. der Afrika Cup ausgetragen und ein Spielort ist Limbé. Limbé liegt im anglophonen Teil des Landes, dort ist eine Art Bürgerkrieg im Gange. Eigentlich gilt Limbé als sicher, aber wegen den Spielen dort, rechnet man mit einem stark erhöhten Risiko für Anschläge. Kurz, das auswärtige Amt ratet dringend von einer Reise nach Limbé ab. Dabei hatte ich mich so gefreut. Limbé liegt am Mount Kamerun und soll sehr schön sein und die Strände sind schwarz.

Das heisst, entweder doch Kribi, das ist halt etwas weiter vom Flughafen und ich kenne es schon, oder ich bleibe einfach in Koutaba und verzichte aufs Meer. Wobei, baden im dreissig grädigen Wasser ist halt schon schön. Es bleibt noch Zeit zum Überlegen, bis dahin werde ich mich zu Covid so schlau wie möglich machen, wie schon gesagt, Quarantäne in Douala ist keine Option.

Ich habe mich heute nicht viel bewegt. Auf dem Markt, mit Maske, habe ich Becken, einen Teppich, den ich fürs Joga brauche, weil wenn ich das ohne Teppich mache, dann ist meine gesammte Vorderseite rot und grüne Auberginen, die jetzt wirklich Auberginen sind, einfach knallgrün, gekauft. Weiter habe ich ein Kurzkonzept zu den Gruppenkontrollen geschrieben.

Kurz ist wichtig. Wie ich schon erzählt habe, hängen im Centre Unmengen Praktikantinnen herum. Im Centre gibt es den Ausdruck eines Buches, ich druckte es bei meinem letzten Besuch hier aus, „wenn es keinen Doktor hat“. Ich zeigte es den Praktikantinnen und forderte sie auf, wenn nichts los ist, darin zu lesen. Sie lasen. Aber wie, mit dem Finger, laut murmelnd, Wort für Wort. Sie sind Quasianalphabetinnen, unmöglich so zu verstehen, was sie lesen. Das fiel mir schon vor drei Jahren bei Sherifa auf, sie stand vor ihrem Bac (eine Art Matur) und las auch genau so. Unsere Praktikantinnen waren alle in der Schule, sie haben also rein theoretisch lesen gelernt, aber praktisch anscheinend nicht. Zu allem Elend lernen sie in den Koranschulen und von denen gibt es hier immer mehr, auch noch arabisch zu lesen, etwas das ihnen hier, ausser um den Koran zu lesen, den es auch in einer guten französischen Übersetzung gibt, überhaupt nichts bringt. Auch die Pflegehelferinnen können nur sehr schlecht lesen und auch sie üben arabisch zu lesen, um den Koran im Original lesen zu können, was sie näher zu Allah bringt. Ich habe nichts gegen Arabisch. Wirklich nicht. Ich würde es auch gerne können, aber ich kann, in den für mein Leben wichtigen Sprachen, ziemlich gut schreiben und lesen, da hätte Arabisch noch Platz.

Appoline

Nun schreibe ich den Namen von Appoline endlich korrekt. Appoline ist schwanger, an meinem Geburtstag ist der errechnete Termin. Und Appoline wollte, dass ich die Schwangerenkontrolle mache. Wir mussten die Kontrolle mehrmals unterbrechen, zuerst kam eine Grossmutter mit einem kranken Mädchen, dann eine Familie mit einem kranken Jungen, dann brauchte die Pflegehilfe Hilfe beim Stecken einer Infusion und endlich konnten wir in Ruhe die Kontrolle abschliessen. Es ist nicht so, dass ich viel anders gemacht habe, als Appoline das auch täte, aber da und dort konnte ich Hintergrundwissen beisteuern, das Appoline fehlt und so war es ein wenig lerning by feeling.

Die Behandlungen hier machen schon etwas Angst. Der kranke Junge hat wahrscheinlich Masern. Masern ist, wie ihr hoffentlich wisst eine Viruserkrankung. Antibiotika werden bei bakteriellen Infektionen gegeben, sie bringen jedoch bei Viren überhaupt gar nichts. Für die Masern heisst das, dass man nur die Symptome behandeln kann, zum Beispiel hohes Fieber senken oder Kopfschmerzen mindern. In Kamerun sieht die Behandlung aber eine Antiobiotikatherapie, natürlich durch die Vene und noch eine Therapie gegen Pilze vor. Die Pilztherapie ist für den Fall, dass sich der Junge wundkratzt und eine Pilzinfektion bekommt, ehrlich? Könnte man nicht den Juckreiz behandeln und für eine angemessene Hygiene sorgen? Dass das nicht klappt, wird vom Ministère de Santé vorausgesetzt und entsprechend sind die Behandlungspläne. Das heisst, der Junge liegt jetzt im Centre, isoliert, mit Infusion.

Heute haben wir übers Kinderschlagen diskutiert. Die junge Mutter mit den Zwillingen hat einem von ihnen gedroht, dass er von Madame Suzanne geschlagen wird, wenn er nicht gehorcht. Ich schlage keine Kinder habe ich erklärt, Kinder soll man nicht schlagen. Das würde ich ganz falsch sehen, Kinder kann man nur mit Schlägen erziehen. Sie verstehen noch keine Worte, aber Schläge verstehen sie schon sehr früh und so lernen sie Respekt zu haben. Da gehen mir dann die Worte aus, wie erkläre ich ihr, dass man Kinder auch ohne Schläge erziehen kann, dass ein Kind immer das schwächste Mitglied ist und deshalb geschützt und nicht geschlagen werden muss? Ich habe es versucht, aber ich denke, da war vorallem der Gedanke, die spinnen die Schweizer.

Als ich noch in Langenthal arbeitete, habe ich mir im Ausverkauf so Teva-Sandalen, aber geschlossene, mit geschützten Zehen, gekauft. Die hatte ich schon lange und oft getragen und als ich vor knapp drei Jahren nach Koutaba kam, habe ich sie mitgenommen. Die Idee war, sie hier noch endgültig zu Boden zu laufen. Das passierte dann auch, der Leim löste sich und ich konnte sie nicht mehr anziehen. Aber ich war traurig, ich hatte viele Kilometer mit diesen Schuhen zurückgelegt. So ging ich hier zum Schuhmacher, er ist auf dem Markt, ausgerüstet mit starkem Nylonfaden und Nadel, und ich fragte ihn, ob man die Dinger noch flicken kann. Er fand, ja und hat mir die Teva-Sandalen rahmengenäht. Jetzt, fast drei Jahre und viele Kilometer später, ist die Naht an einer Stelle wieder aufgegangen und ich habe ihm die Schuhe wieder gebracht und er hat alle Nähte neu gemacht und ich kann weitere Kilometer zurücklegen, bis der Schuh dann irgendwann von unten her verschwunden ist. Ich habe so richtig eine Scheissfreude!

Noch kurz zu den auberginenähnlichen Dingen, die ich gestern gekocht habe, die heissen hier Prunes, was übersetzt Pflaumen heisst. Und sie werden gekocht und gegessen, also habe ich es nicht so falsch gemacht.

Auberginen

Man kann einen Tag auch von hinten aufrollen, oder nicht? Ich habe heute, und schon bin ich nicht mehr hinten, sondern es war am Morgen, so Dinger gekauft, von denen ich meinte, es seien Auberginen, ich habe sogar gefragt ob es Auberginen sind und ein Oui zurück bekommen. Gut, sie sahen aus wie Auberginen, die etwas zu klein, etwas zu verkrüppelt und etwas zu trocken geraten sind. Aber ich meine, das Klima ist ja schon anders und trocken ist es im Moment definitiv, dass Auberginen dann ein wenig anders aussehen als gewohnt, ist wirklich nicht verwunderlich. Wunderlich wurde es, als ich die Dinger aufgeschnitten habe, also vorhin. Das sind definitiv keine Auberginen. Innen sind sie hohl und die Wand ist ziemlich hart. Damit ich versuchen kann, was das ist, habe ich sie mal in die Bratpfanne getan und eine Weile gedämpft. Wegen drei G, geschält, gekocht, gelassen. Und dann habe ich es versucht. Es ist säuerlich, es ist leicht bitter und es ist zäh. Die Dinger kochen jetzt zusammen mit Reis, Tomaten (echte), Peperoni (auch echt) und Erdnüssen, falls sie nicht essbar sind, kann ich sie dann immer noch raussortieren.

Arbeiten wir uns weiter in Richtung heute Morgen. Ich wollte eigentlich vom Centre aus nach Hause laufen. Ich bin auch getartet, habe mich nur kurz verlaufen und bin umgekehrt und habe den richtigen Weg gefunden und bin weiter gelaufen, bis der Weg in einer Graswand verschwand. Da ich doch ziemlich Respekt vor den Schlangen hier habe, letzte Woche sah ich eine vor dem Centre, bin ich wieder umgekehrt und ein Stück zurück gegangen und habe einen neuen Weg ausprobiert. Der führte mich dann auf die Hauptstrasse und statt nach Hause zu laufen, habe ich dann halt ein Moto genommen.

Jetzt wird es spannend. Ich habe meinen Teller gefüllt. Ich esse jetzt von diesen Dingern, sie sind nicht schlecht, ein wenig säuerlich, ein bisschen zäh, aber nicht mehr bitter. Die Konsistenz erinnert an Oliven, der Geschmack vielleicht an Karden mit etwas Zitronensaft. Man kann sie definitiv essen.

Im Centre hatte ich heute eine Besprechung mit Apoline. Ich habe jetzt ein klareres Bild vom Alltag im Centre. Ich sage bewusst Alltag, weil genau das läuft, sie kommen, sie sind da und arbeiten wenn etwas zu tun ist, aber es gibt keine Prozesse, wenn etwas nicht geht, dann geht es halt nicht, wir sind schliesslich in Kamerun, das ist halt so. Ein Beispiel. Wir haben im Centre seit einer Woche keinen Strom. Eigentlich gibt es einen Generator. Der ist aber kaputt. Ich meine, das kann ja Mal passieren, aber über eine Woche? Das  darf nicht sein. Auch wenn Geburten bei Kerzenlicht romantisch scheinen, ich möchte nicht bei Kerzenlicht genäht werden und auch nicht bei Kerzenlicht nähen. Oder ein weiteres Beispiel. Im Centre gab es ein Telefon, dafür gedacht, Apoline zu holen wenn sie auf Abruf ist. Der Kredit vom Telefon wurde dann für Privatgespräche gebraucht und jetzt hat es kein Telefon mehr im Centre und Apoline wird nicht mehr geholt und die Pflegehelferinnen wursteln weit ausserhalb ihrer Kompetenzen. Schlussendlich geht es um Sicherheit. Strom muss verfügbar sein, ein Telefon funktionieren, die Kompetenzen klar definiert sein und Apoline braucht Unterstützung von einer weiteren diplomierten Pflegekraft. Kurz, wir müssen Prozesse definieren.

Einen ersten Schritt haben wir schon gemacht. Wir haben Stellenbeschriebe erarbeitet. Ein nächster Schritt wird ein Kompetenzenkatalog für die Pflegehelferinnen sein, denn für alle nicht diplomierten Pflegeleute gibt es so etwas nicht. Das liegt in der Kompetenz des Centres. Das wird Apolins Job sein. Sie kennt die drei Frauen und sie kennt die Gepflogenheiten. Und Omar habe ich zu Strom und Telefon die Leviten gelesen. Das ist sein Job. Und ich? Ich versuche diesen Prozess zu begleiten und wünsche mir viel Glück.

Ausflug

Um acht Uhr sind wir losgefahren. Ziel war der Stausee bei Magba. Die Strasse wird kurz nach Koutaba richtig gut, so wie eine richtige, echte Strasse. Zuerst ging es nach Foumban, dort residiert der Sultan, der König der Bamoun. Der alte Sultan, der der bei meinem letzten Besuch der Sultan war, ist diesen Sommer gestorben. Nun ist sein Sohn der Sultan. Er heisst übrigens Sultan und König, weil Sultan kommt aus dem muslimischen, aber die Bamoun sind nicht alle muslimisch, ein Teil sind christlich und ein Teil sind animistisch, deshalb bekommt er den Doppelnamen.

Von Foumban fuhren wir weiter in Richtung Nordosten bis wir nach etwa eineinhalb Stunden Magba erreichten. Dort erklärte Omar, dass wir seinen Onkel, den Kommissar besuchen müssen. Und so fragten wir uns zur Polizeiwache durch, angetroffen haben wir den Kommissar dann bei sich zu Hause. Sofort organisierte der Kommissar uns einen Polizisten, der uns als Fremdenführer zum Stausee begleiten sollte. Nicht dass es nötig gewesen wäre… und für unsere Rückkehr wurden wir zum Essen eingeladen.

Und weiter ging es auf dieser richtigen Strasse, noch ein paar hundert Meter, dann waren wir auf Piste und für die nächsten fünfzehn Kilometer brauchten wir länger als für die sechzig vorher. Aber es hat sich gelohnt. Der See ist sehr schön, voller Inseln, sehr verzweigt. Die Leute am See bewegen sich mit Pirogen, sie fischen und Handeln mit geschmuggeltem Diesel aus Nigeria. Im Markt am See war nicht viel los, der Markttag ist am Freitag, aber es war sehr, sehr schmutzig und der Müll waberte Richtung See. Das machte mich ein wenig traurig, der schöne See und dann die Müllufer. Und dann ein Schild im See, das den Kindern verbietet in den See zu brünzlen oder kacken – als ob es darauf noch ankäme.

Unser Polizist führte uns mit Stolz durch den Markt und zeigte uns als letztes noch die Polizeistation. Zurück nahmen wir einen anderen Weg, der führte uns durch Wälder mit Kaffeeplantagen. Das war das erste Mal, dass ich Kaffeepflanzen in echt, mit Kaffee dran, gesehen habe. Ohne Kaffee habe ich schon Pflänzchen, mit Betonung auf Pflänzchen, bei Wali gesehen. Aber die hier waren flache, stämmige Bäumchen.

Zum Essen gab es Couscous (das ist hier Polenta aus weissem Mais), grünes, leckeres Gemüse und Poulet mit einer Erdnusssauce. Es war sehr lecker. Und ich habe erfahren warum viele Bamoun muslimisch sind. Sie führten immer wieder Krieg gegen die im Norden und verloren immer wieder. Darum haben sie gefragt, warum seid ihr so stark. Weil sie Muslime seinen und viele Frauen hätten, deshalb seien sie so stark. Omar meinte später auf der Rückfahrt, dass er geschwächt wäre, wenn er viele Frauen hätte. Ich wollte von ihm wissen ob eigentlich die erste Frau bei der Hochzeit der zweiten Frau auch dabei sein müsse? Natürlich, sie holt die Braut in ihrem Elternhaus ab. Was haben euch die Frauen angetan, dass ihr so böse und gemein mit ihnen seid? Darauf hatte er keine Antwort.

Meist heisst es, das sei halt die Tradition. Aber leider werden viele Traditionen, die sinnvoll wären, aufgegeben, wie den Couscous in Bananenblätter einzuschlagen, statt in Plastik, wie Lehmhäuser zu bauen, statt Zementhäuser und gleichzeitig werden sinnlose Traditionen, die Menschen unterdrücken aufrechterhalten. Aber wahrscheinlich ist es bei uns ähnlich.

Auf der Heimreise mussten wir noch einen weiteren Besuch machen. Wir mussten noch den Grossvater von Omar besuchen. Und ich lernte eine neue Wunderlichkeit. Der Grossvater muss schon ziemlich alt sein? Der Grossvater ist schon lange gestorben, wir besuchen seinen Vertreter. Hää?

Also, wenn jemand stirbt, also wenn ich zum Beispiel sterbe, dann wird Dävu mein Vertreter. Er ist dann so etwas wie die Vize-Susle oder so. Er ist dann zuständig für alle meine Belange, sorgt für meinen Besitz und mein Ansehen. Omar vertritt seine Grossmutter, der Bruder Jaja, vertritt die Mutter und so weiter. Nicht dass ich das verstanden hätte, es ist ein wenig abstrakt.

Zurück in der Wohnung, habe ich mir ein schönes Stück Ananas zubereitet und eine leckere Avocado geschält und während ich hier rumgetippt habe, habe ich alles genüsslich gegessen. Das war super fein und sicher ebenso gesund.

Das Centre

Als ich vor zwei, zwei drittel Jahren aus Koutaba abreiste, arbeiteten im Centre die drei Pflegehelferinnen, Rafiatou, Ajara und Ramatou, die nicht diplomierte Hebamme Assana, die Laborantin Fatimatou und zwei Praktikantinnen, Fatima und Bijou. Im Laufe des nächtsen Monats kamen noch Apoline und Awa, die diplomierten Pflegefachfrauen dazu. Als Dänu in diesem Frühsommer (vielleicht war es auch Frühling, Covid hat mein Gespür für die Zeit etwas durcheinander gebracht) hier war, war die Stimmung im Centre sehr schlecht. Der Grund dafür waren zwei der Frauen.

Da war zum Einen Awa, seit über zwei Jahren verheiratet und immer noch kinderlos, die ihren Frust an Jeder ausliess, die mit einem Lätsch die Leute herumkomandierte, egal ob Patientin oder Personal. Awa war schon bei ihrem Vorstellungsgespräch nicht die Herzlichkeit in Person, aber leider hatten wir damals keine andere Wahl, da sie die einzige Bewerberin mit den, für die Eröffnung des Centres, notwendigen Papieren war. Die andere war Assana, über sie habe ich schon das letzte Mal oft geschrieben. Assana, die Prinzessin, die sich sicher nicht dazu herunterlässt mit dem gemeinen Volk auf Augenhöhe zu verkehren. Zudem verweigerte Assana den Nachtdienst und hatte auch für einfachste geburtshilfliche Fragen keine Antwort.

Mit Beiden wurden Gespräche geführt, Ziele definiert und die Ziele wurden von Beiden nicht erreicht und Beiden wurde gekündigt. Die Kündigung von Assana hat für das Centre keine weiteren Konsequenzen. Anders die von Awa. Sie ist der Grund für die Bewilligung des Centres. Ihre Papiere sind hintelegt.

Und nun der Sprung zurück in die Gegenwart. Da ich immer noch Gründe sammle, warum so wenige Patientinnen im Centre auftauchen, versuche ich mir ein Bild von der Situation zu machen. Und die ist immer wieder kompliziert. Um ein Gesundheitszentrum eröffnen zu können, braucht man eine staatlich diplomierte Pflegefachfrau. Zusammen mit dem Dossier müssen die staatlich beglaubigten Papiere dieser staatlich diplomierten Pflegefachfrau eingereicht werden. Das ist so nach meinem ersten Aufenthalt hier passiert. Darauf bekam das Centre, natürlich nach einigem hin und her, eine provisorische Bewilligung. Das heisst, das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, was übrigens der Grund dafür ist, dass das Centre noch nicht Impfen kann. Es braucht jetzt noch einen Arrêt Ministral, was auch immer das genau ist und den man für 300’000 schneller bekommt.

Nun haben der Delegierte für Gesundheit und Awa ausgehandelt, dass die Papiere von Awa im Centre bleiben bis dieser Arrêt kommt, wenn im Gegenzug das Centre Awa 100’000 CFA Miete bezahlt. Weigert sich das Centre, stehen wir wieder dort wo vor knapp drei Jahren und fangen von vorne an. Ich sage euch, Bürokratie kann sehr kompliziert sein. Und ob ich das System jetzt ganz verstanden habe, da bin ich mir nicht so sicher. Der Fünfer fällt immer wieder, aber er ändert dauernd die Richtung.

Apoline kann das Centre leider noch nicht übernehmen, da sie erst 2018 diplomiert wurde und die fünf Jahre Berufserfahrung noch fehlen.

Das ist, was ich heute gelernt habe. Verwirrend, kompliziert, unmöglich… Was die Menge der Patientinnen anbelangt, habe ich heute zusätzlich eine neue Theorie bekommen, von Omar. Die Leute wollen von einer diplomierten Pflegefachkraft behandelt werden und vorallem wollen die Frauen, wenn sie schon in ein Centre zur Geburt gehen, dort von einer gut ausgebildeten Person betreut werden. Da im Moment nur Apoline über diese Qualifikationen verfügt, kann genau das nicht gewährleistet werden. Und auch diese Theorie leuchtet ein.

Und dann waren wir spazieren und haben geträumt. Warum kein Frauengesundheitszentrum einrichten? Die Kranken müssten dann halt anderswo unterkommen, aber das wäre kein Problem. Laut Omar sind in den Spitälern in Foumban und hier in Koutaba neue Chefs und seither sei die Qualität gestiegen. Omar fand die Idee vom Frauengesundheitszentrum gut und war der meinung, dass sie möglicherweise auch im Dorf gut ankommen könnte. Wir malten uns aus, was wo sein würde, wie die Frauen unter dem Vordach im Kreis ihre Anliegen diskutieren, am langen Tisch gemeinsam essen und einen Ort haben, der ihnen und ihrer Gesundheit gehört.

Morgen mache ich mit Omar einen Ausflug zu einem Stausee, etwas nördlich von hier. Ich freue mich!

Fotos folgen hoffentlich. Das Internet ist Schei…

Sylvester

Der letzte Tag des Jahres ist angebrochen und ich warte wieder einmal, ich warte auf Omar. Ok, seine Entschuldigung hat Hand und Fuss, eine Autopanne, er ist mit dem Auto vom Mech unterwegs, glaubwürdig. Er hat versucht mich anzurufen, aber ich war nicht bei meinem Natel, stimmt, zwei Anrufe in Abwesenheit… Im Centre ist ein CPN, sie wollen, dass ich dabei bin. CPN? What the hell…? Nie gehört, was ist das? Etwas geburtshilfliches, sagt Omar. Komische Krankheit. Was erwartet mich wohl? CPN?

Zum Glück kommen wir bald im Centre an, sonst weiss ich auch nicht wohin mich meine Phantasie noch führt. Wobei, CPN, ich kann es unmöglich irgendwo einordnen. Omar weiss nur, dass das der technische Ausdruck für das sei, was mich erwartet. Was das wohl sein wird?

CPN heisst Contrôle Prénatale, also ganz einfach, eine Schwangerenvorsorgeuntersuchung, nichts wildes, etwas ganz normales, etwas das man in einer Schwangerschaft meist regelmässig macht, keine exotische Krankheit, die wegen der Abneigung der Franzosen irgend einen französischen Namen bekommen hat. Ganz ehrlich, ich war erleichtert. Damit kann ich umgehen.

Die Frauen wollten, dass ich die Kontrolle durchführe, ich wollte jedoch, dass ich sie beobachten darf und wir die Kontrolle danach besprechen. Und ich war sehr beeindruckt. Apoline informierte die Frau, war sehr empathisch, nahm sich Zeit, erklärte ihr bei jeder Untersuchung warum sie gemacht wird und was wir dadurch erfahren. Ich konnte nur loben und nur eine kleine Anmerkung hinzufügen. Die Frau hatte ein wenig wenig Blut, sie wird also Eisen bekommen, ein Moment, wo die Ernährung ein Thema hätte sein können. Aber ganz ehrlich, wenn das heute nicht nur Vorführeffekt war, was ich nicht glaube, dann macht Apoline einen hervorragenden Job! Die schwangere Frau ist übrigens bereit bei den Gruppenkontrollen mitzumachen. Wir haben also schon einen Einergruppe!

Dass eher wenig läuft im Centre beschäftigt mich. Es ist nämlich wirklich einladend und ich würde es allen bisher gesehenen Centres, ausser ich bräuchte eine Ärztin, vorziehen. Darum spreche ich mit allen darüber. Und Fatimatou (die Laborantin) hat mir eine neue, wieder einmal einleuchtende Erklärung geliefert. Das Centre de Santé Mbambeluh hat noch keine Bewilligung zum Impfen. Das heisst, alle Schwangeren, die noch Impfungen benötigen, das sind hier routinemässig die Hepatitis Impfungen, Röteln und Starrkrampf, müssen in ein anderes Centre geschickt werden und wenn dort auch noch ein Ultraschall angeboten wird, dann bleiben sie gleich dort. Das Gleiche passiert mit den vielen Kindern, die Impfungen finden dort statt und wenn man schon dort ist, dann kann man auch gleich die weiteren Untersuchungen machen. Fatimatou fand, Omar arbeite bei den Impfungen zu langsam. Also fragte ich Omar. Wir seien das vierte Centre in der Liste, der Centres die eine Impfbewilligung beantragen, er denke mit etwas Glück könnte es 2022 soweit sein.

Ich war halt schon einmal drei Monate hier, also verzeiht mir die nachfolgende Frage an Omar. Könnte man die Beamten dort nicht ein wenig motivieren? Ich denke ihr erinnert euch an die Enveloppes (Briefumschläge), die Motivationen. Doch, doch, 300’000 CFA müssten im Umschlag stecken, knappe 600 SFR, dann dürften wir impfen. 300’000 CFA, um die wieder hereinzuholen bräuchten wir zusätzliche 60 Geburten, oder noch viel, viel mehr andere Kontrollen. Dann doch lieber noch ein Jahr warten und dieses korrupte System nicht unterstützen? Es ist eine schwierige Frage und die Antwort darauf ist noch viel schwieriger.

Lassen wir das mal so stehen und ein wenig sacken. Es ist schliesslich der letzte Tag des Jahres und weder gute Vorsätze, noch schlechte Vorsätze sind heute an der Tagesordnung. Meine Haare sind frisch gefärbt, Ramatou hat mir die Farbe auf den Kopf getupft, ich habe ein Mützig getrunken und zur Feier des Tages Soya vom Böh geholt und werde mich jetzt beim Plärren der Disco, wobei ich ihr vielleicht mit meinem Boom Konkurrenz mache, entspannen. Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch und Danke für eure Kommentare, sie tun gut.

Kochbananen statt Bratwurst

Während ich bei meinem letzten Aufenthalt mehrheitlich Reis mit Gemüse und Erdnüssen gegessen habe, das heisst, alles in eine Pfanne und kochen bis der Reis weich ist, habe ich diesesmal Lust auf Abwechslung. Und darum gab es heute eine Rösti mit Bratwurst, glatt gelogen, mit Kochbananen gebraten wie Bratwurst an Zwiebelsauce. Es fühlte sich ein wenig wie zu Hause und auch ein wenig wie gar nicht zu Hause an. Ich glaube ich habe wieder einmal ein wenig Heimweh. Nicht so schlimm, wie das letzte Mal, es ist mehr eine Sehnsucht, die zum Glück durch euer Scheisswetter sogar noch ein bisschen gedämpft wird. Aber ich freue mich auf die Ruhe in der Felsenau, ich werde unseren autofahrwütigen Nachbarinnen in der ersten Zeit etliche unnötige Fahrten verzeihen. Der ewige Lärm hier setzt mir zu. Ich freue mich auf Spaziergängen darüber dass es ruhig ist, sauge die Ruhe richtig ein.

Ich frage mich, was es mit den vielen Menschen macht, die hier neben der lauten Strasse am Tag und der ebenso lauten Disco in der Nacht leben und diesem Lärm nie entfliehen können. Was es mit Kindern macht, die schon seit ihrer Geburt jede Nacht mit einem ohrenbetäubendem Bumm Bumm schlafen müssen. Heute haben Omar und ich einen Spaziergang gemacht und sind an der Disco vorbei gekommen, da habe ich ihm erzählt, dass ich den Lärm als Folter empfinde. Das französische Wort für Folter kam mir aber nicht in den Sinn und ich versuchte es mit Waterboarding zu erklären. Torture heisst Folter, der Übersetzer hat mir geholfen. Ich weiss, ich bin noch nie gefoltert worden, ich weiss dass ich den Lärm nicht ganz mit Folter vergleichen kann, trotzdem, ich würde für etwas Ruhe einige von euch verraten und alles zugeben.

Ich war heute nicht im Centre. Irgendwie haben Omar und ich so viel besprochen, dass die Zeit einfach davonlief und dann machten wir noch einen Spaziergang zur Schule wo die Pflegehelferinnen ausgebildet werden, wobei dort kein Mensch war, was ich mir schon gedacht hatte, es sind nämlich Schulferien, aber das machte nichts, es war ein schöner Spaziergang. Das ist übrigens eine lustige Schule. Es gibt einen grossen Schulraum mit sehr vielen Schulbänken und vorne einer Bühne und dort werden Pflegehelferinnen, Schreiner und Maurer ausgebildet. Anscheinend zum Teil gleichzeitig im gleichen Raum. Neben dem Schulgebäude stand, das heisst es steht jetzt nicht mehr richtig, es liegt eher, ein kleineres gemauertes Gebäude, das mit seinem Fundament in der Erde versinkt. Entweder lehren sie in der Maurerabteilung der Schule das Fundament bauen nicht, oder die ganze Ausbildung steht auf einem wackligen Fundament.

Der Grund, warum wir bei dieser Schule vorbei gegangen sind, war die Idee, dass das Centre junge Frauen darin unterstützt, diese Schule zu besuchen. Im Moment ist es so, dass drei der tausend Praktikantinnen so genannte Lernende sind. Sie lernen ein wenig das Handwerk der Pflege und bekommen dann vom Centre eine Bestätigung. Damit können sie aber nachher überhaupt nichts anfangen. Jedenfalls nicht nach unseren Massstäben. Omar fand es durchaus wertvoll, da sie durch diese „Ausbildung“ gewappnet sind für das Hausfrauenleben und dort für die Pflege der Angehörigen. Und somit landeten wir wieder einmal beim Leben der Frauen hier. Als Frau brauchst du einen Mann, sonst musst du im Elternhaus bleiben und du musst Kinder gebären. Wenn du keine Kinder gebärst, dann holt sich dein Mann halt weitere Frauen. Traditionen. Und die Frauen haben keine Chance hier auszubrechen, ausser sie hatten das Glück eine gute Ausbildung zu geniessen und sind bereit wegzuziehen und ihr Glück in einer Stadt zu suchen. Das mit der Ausbildung ist aber so eine Sache, die kostet, man muss Schulgeld bezahlen, man muss Lehrgeld bezahlen und das heisst, wenn in einer Familie ein Kind eine Ausbildung geniessen kann, ist es meist männlich.

Ich hoffe ganz fest, dass die Arbeit im Centre für die Frauen einen kleinen Unterschied macht, dass sie etwas mehr Macht über ihr eigenes Leben bekommen.

Réunion

Sitzungen sind immer eine Herausforderung. Sie sollen ja etwas bringen, mehr sein als nur das Sitzen. Damit die Sitzung heute ein Erfolg wird, habe ich mir viel, wirklich viel überlegt. Mein Ziel war, dass die Frauen diskutieren, dass sie selber Lösungen präsentieren, dass die Sitzung zu einem Ergebnis oder wenigstens zu einem Ziel führt. Ich habe die Frauen zur Sitzung willkommen geheissen, erklärt dass wir zwei Themen bearbeiten, die Hygiene und die Gruppenkontrollen und dann die Frage in die Runde geworfen, warum Hygiene denn eigentlich wichtig sei, in einem Centre de Santé. Schweigen, Schweigen, Schweigen… Was denkt ihr, warum Hygiene? Schweigen. Ich möchte gerne mit euch darüber sprechen, was könnt ihr mir dazu sagen? Schweigen. Omar musste einspringen, meine Fragen übersetzen und erklären, dass sie versuchen sollen zu antworten, dass das Ziel eine Diskussion ist. Endlich tröpfelten die Antworten, endlich konnten wir das Thema bearbeiten und tatsächlich haben die Frauen es geschafft eigene Lösungen zu kreieren und endlich war die Diskussion am laufen.

Als ich dann die Gruppenkontrollen vorgestellt habe, war besonders interessant, dass die Frauen, die selber nur eine kurze Ausbildung genossen haben, die Idee, dass die Schwangeren die Antworten zu ihren Fragen, die Wege zur Lösung ihrer Herausforderungen bei sich und in der Gruppe und nicht bei den Expertinnen finden, schneller begriffen haben, als die gut ausgebildete Pflegefachfrau. Im Nachgang der Sitzung, als ich mit Chrigu darüber gesprochen habe, wurde mir klar, dass die Pflegehelferinnen in ihrer Arbeit wahrscheinlich öfter auf die Expertise der Patientin hören, als die Pflegefachfrau, die ja alles weiss. Während Ramatou, Ajara, Fatimatou und Rafiatou sofort verstanden haben, dass sie die Frauen einladen an der Gruppe teilzunehmen, dass die Gruppe wie eine Freundinnengruppe funktioniert, war Apoline noch im Modus, dass man die Schwangeren sensibilisieren muss, dass sie ins Centre kommen müssen, dass sie die einmalige Chance haben eine Hebamme aus der Schweiz anzutreffen, dass, dass… Zum Glück hatte ich Omar vor der Sitzung gut auf die Gruppenkontrollen eingestimmt, er wird noch zum Profi! Nach zehn Minuten Bamoun, hat auch Apoline verstanden.

Sie werden jetzt die Frauen in ihren Quartieren aufspüren und einladen. Und, wer weiss, vielleicht erlebe ich die erste Gruppe. Aber noch einmal zurück, als ich erklärte wie so eine Gruppe funktioniert, habe ich gesagt, dass ich es mit ihnen, zu Beginn der Sitzung ausprobiert habe. Und hat es geklappt? Überhaupt nicht. Gelächter. Und schon hatten wir die Möglichkeit über Wege, zu den Frauen vorzudringen, zu diskutieren.

Zum Abschluss der Sitzung gab es Soja (ist immer noch das Fleisch vom Böh vom Grill und keine Vegifleischersatzvariante), Platanos (das sind Kochbananen) und Jus (das ist Pläterliwasser mit Chuscht) und wie die Tigerinnen haben wir uns darauf gestürzt. Es war lecker.

Am Morgen habe ich mich dem Haushalt gewidmet. Das ist immer noch genau gleich anstrengend wie das letzte Mal. Wäsche waschen, von Hand, Wasser filtern, abkochen, in Flaschen abfüllen und mit einem Besen ohne Borsten und einem zu kurzen Stiel den Boden wischen. Jetzt ist es wieder einigermassen sauber. Bis zur nächsten Sandinvasion.

Fotos folgen. Omar hat gemacht. Aber sie sind noch nicht bei mir.

Die Tür zum Gebärklo

Zuerst die gute Nachricht. Ich habe nach zwei Tagen wieder Wasser. Und übrigens es gibt keine schlechte Nachricht.

Der Schreiner, der mich das letzte Mal mit seiner Langsamkeit fast wahnsinnig gemacht hatte, war heute pünktlich um 09h im Centre. Omar und ich kamen zu spät, nicht viel, aber trotzdem, die Schweizerin geschlagen von einem Kameruner. Die Türen im Centre gehen alle in Richtung der Zimmer auf, also auch im Gebärraum. Wie ich euch schon beschrieben habe, ist der Raum etwas 2x2m gross, durch die normalgrosse Tür geht also einges an Platz verloren. Deshalb musste der Schreiner sie neu montieren, damit sie nach aussen aufgeht. Und er hat es gemacht! Heute, er war schon am frühen Nachmittag fertig! Soo schöön!

Und das ist noch nicht alles, Jaja bekam vorgestern von uns den Auftrag, eine Trennwand, die nachträglich im Patientinnenzimmer eingezogen worden war zu streichen, gestern am Abend haben wir die Farbe gebracht und heute am frühen Nachmittag war die Wand gestrichen. Wenn die so weiter machen, geht es mir irgendwann zu schnell. Ich habe mich auf Kamerun eingestellt…

Heute gab es auch endlich wieder Arbeit. Es hat zwar nur getröpfelt, aber immerhin. Wenn jetzt noch ein kleines bisschen weniger Personal anwesend wäre, heute waren es acht für drei Patientinnen (da sind übrigens die männlichen mitgerechnet), dann wäre es richtig schön dort. Wenigstens haben die Praktikantinnen heute endlich verstanden warum es unangenehm ist, wenn sie alle im Behandlungszimmer Maulaffen feilhalten.

Heute waren nur zwei Kinder anwesend. Der Sohn von Fatimatou, der Laborantin, der etwa zehn Monate alt ist und durchs Centre kriecht und dessen Namen ich vergessen habe und der Sohn von Apoline, der etwa anderthalb ist und Brandon heisst. Der kleine Brandon beeindruckt mich. Er beschäftigt sich den ganzen Tag, er beobachtet Sachen, dreht seine Runden ums Centre, schnappt sich jemand, wenn er Unterstützung braucht, ist einfach da und schaut auf sich selbst. Etwa einmal pro Stunde sucht er seine Mutter und vergewissert sich, dass sie noch existiert und Punkt halb vier (Feierabend) wird er grantig und will nach Hause gehen.

Und ich habe Sport gemacht. Das heisst für Schweizerohren, ich bin spazieren gegangen. Heute ging ich in Richtung der Felder, es gab recht viel Verkehr, da im Moment der Reis geerntet wird. Viel Verkehr heisst, dass etwa drei Männer mit den Töffs die Reissäcke geholt haben und zur Dreschmaschine gebracht haben, dass ich Frauen mit Reissäcken oder Holzbündeln auf dem Kopf kreuzte, dass ich Kindern, mit wunderlichen, selbstgebauten Schiebefahrzeugen (ich habe sie leider nicht fotografiert, brauche noch etwas Zeit bis ich wieder derart dreist bin) beim Nüsse knacken angetroffen habe und bei der Rückkehr in einem Pulk Frauen und Kinder gelandet bin. Viel Verkehr heisst auch, dass alle wissen wollten wohin ich gehe, eine Frage auf die es nur eine allgemein verständliche Antwort gibt, Sport.

Heute war Viehmarkt zwischen Koutaba und Foumban, wie jeden Dienstag. Und am Abend sind die Böhs durch Koutaba gezogen, wie jeden Dienstag. Was anders war, ich habe gefragt wie es funktioniert. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, dass die Bororos am Dienstag mit ihren Herden auf den Markt gehen, ein paar Tiere verkaufen und wieder nach Hause gehen. Dass ich die Böhs immer nur in eine Richtung gehen sah, habe ich mir nie überlegt. Heute kam ich wenigstens zu Schluss, dass es schon ein wenig dumm ist, die Böhs am Dienstag auf den Markt zu treiben und dann wieder nach Hause, dass die sowieso schon mageren Viecher ja noch magerer werden, wenn sie jede Woche so weit laufen müssen. Und ich wurde ausgelacht. Die Böhs kommen aus dem Norden, werden auf dem Markt verkauft und laufen dann an mir vorbei in Richtung Metzger in Foumbot oder Bafoussam. So fies! Alle Romantik am Arsch.

Da die Romantik auf der Strecke geblieben ist, mache ich halt Schluss, trinke mein Bier aus und lese weiter in meinem Sience Fiction Roman.

Missbrauch

Heute kamen Omar und ich ins Centre und es war nicht schön. Wir trafen dort vier Frauen mit ihren Kindern an, die ihre Töchter zur Untersuchung brachten. Ein Mann aus dem Dorf hat die sechs Mädchen missbraucht. Der Mann war schon im Gefängnis wegen Missbrauch von Mädchen. Jetzt ist er verschwunden, geflüchtet. Ich war beeindruckt von diesen Müttern, die versuchen ihre Töchter zu beschützen. Die nach der Untersuchung der Mädchen zum Chef du village mussten um alles noch einmal zu erzählen und die heute gegen Abend mit den Vätern noch einmal zum Chef du village zurückkehren mussten um alles noch einmal zu besprechen. Um dann, wahrscheinlich morgen, bei der Gendarmerie noch einmal darüber zu sprechen. Ich war dankbar, dass im Centre nur Frauen arbeiten, dass ihr erster Schritt, die Untersuchung der Mädchen, zusammen mit anderen Frauen gemacht werden konnte. Es ist schrecklich.

Ich bin da gesessen und habe mich daran erinnert, wie unsere Eltern uns gewarnt haben, gewarnt vor Männern, die Kinder verschleppen, gewarnt vor Männern, die freundlich scheinen, aber nicht sind. Ich erinnerte mich, dass sie gesagt haben, das wir auch mit Männern, die wir kennen vorsichtig sein müssen, dass man nie sicher ist. Und ich erinnerte mich, wie abstrakt das war, wie unsicher ich wurde, wie ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte, dass es Menschen gibt, die so etwas machen. Heute weiss ich es, im Kopf, aber ich kann es immer noch nicht nachvollziehen, es bleibt unvorstellbar.

Ich bin froh für die Mädchen, dass ihre Mütter reagiert haben, dass sie sie ernst genommen haben und dass auch der Chef du village sie ernst nimmt. Vielleicht hilft das bei der Heilung.

Was irritierend war, alle Praktikantinnen waren im Behandlungsraum versammelt, auch mich hat man bei der Ankunft sofort dort hinein geschleppt. Ich bin gleich wieder rausgegangen und habe geschaut, dass die Praktikantinnen diskret hinaus befördert werden. Nachdem die Frauen mit ihren Kindern zusammen mit Omar zum Chef du village aufgebrochen waren, bat ich Apoline um ein Gespräch.

Es kann, es darf nicht sein, dass mehr Personen im Behandlungszimmer sind als nötig. Es kann nicht sein, dass die zum Teil sehr jungen Frauen dort drinn stehen und gaffen. Was ist mit der Schweigepflicht? Apoline versicherte mir, was im Behandlungszimmer geschehe bleibe auch dort und bei der Untersuchung habe sie alle rausgeschickt. Und trotzdem, es ist unangenehm, wenn du deine Geschichte vor einem grossen Publikum erzählen musst. Und, die Praktikantinnen sind zum Teil Schülerinnen, vielleicht viehrzehn Jahre alt, vielleicht weniger, wie werden die das gehörte verarbeiten? Was passiert jetzt mit ihnen? Mit wem sollen sie darüber sprechen, wenn Schweigepflicht herrscht? Apoline gab mir den Punkt.

Ich weiss, dass hier vieles anders ist als bei uns, dass die Leute, bevor sie eine Anzeige machen können zum Chef du village gehen müssen, aber gerade deshalb glaube ich, dass auch vieles gleich ist, dass wir Menschen sind und in vielem ähnlich funktionieren.