Auf den Feldern

Ich habe gestern Omar gefragt ob er mir heute sein Reisfeld zeigt. Darum waren wir auf den Feldern unterwegs. Es hat Erinnerungen hervorgerufen, Erinnerungen an die Regenzeit und an meinen Versuch in den Wald mit den Affen zu gelangen. Ein Versuch, der das erste Mal kläglich am Wasser gescheitert ist und mit unglaublichem Muskelkater in den Beinen und Arschbacken belohnt wurde. Er ist auch das zweite Mal gescheitert, diesmal nicht am Wasser, ich trug Gummistiefel, diesmal an Ameisen, von denen Milliarden über uns hergefallen sind und uns mit einem mörderischen Brennen am ganzen Körper belohnt hatten. Das zweite Mal war Omar dabei. Affen habe ich hier nie gesehen, auf jeden Fall keine auf den Bäumen mit Fell. Heute war es nicht nass, es ist Trockenzeit, wobei der Bas-Fond, ich habe immer gedacht es heisst Bafond und wollte eigentlich nachschauen was das bedeutet, aber es ist ganz einfach „tiefer Grund“, eben der ist auch jetzt noch ziemlich feucht. Das Gemüse wird auf Hochbeeten angepflanzt, nicht solche wie bei uns, die Beete sind einfach hoch und dazwischen ist ein Tal, dort fliesst dann das Wasser.

Die Äcker sind überall verstreut, es wächst viel Unkraut und sieht ziemlich chaotisch aus. Aber der Bas-Fond ist sehr fruchtbar, die Erde ist schwarz, sonst ist alles rot, aber dort liegt Erde vom erloschenen Vulkan, dort wo ich das letzte Mal hinaufgestiegen bin. Auf einem Acker waren zwei Männer am umgraben. Das Werkzeug ähnelt dem Putzwerkzeug, es hat viel zu kurze Stiele. Der Rücken lässt grüssen.

Die Felder von Omar sind weit verstreut, das liegt an der Vererberei, das ist ein wenig wie in Portugal, dort haben die Leute auch überall ein kleines Feld. Das Erbe wird durch die Kinder geteilt, wobei die Männer das Doppelte bekommen. Omar und Jaja haben ihrer Schwester gleichviel gegeben, wie auch sie bekommen haben. Dass die Felder derart verstreut sind, heisst lange Märsche. Das ist nicht besonders praktisch. Omar hat ein paar Felder an Bauern ohne Land ausgeliehen, sie müssen nichts bezahlen, aber während sie dort pflanzen, pflegen sie den Boden und es hat weniger Unkraut. Nachdem wir die Ländereien abgegangen waren, sind wir auf der anderen Seite der Strasse auf einen Hügel gestiegen, es war sehr steil und wir gingen mitten durch die Sträucher und Gräser, ich erwartete irgendeinmal einen Weg, aber da war keiner, und es ging genau so steil, wie rauf, auch wieder runter. Das war ziemlich anstrengend und rutschig und es gab Gräben und Abhänge und der Boden war mit Asche übersäät, weil die Bororo das Gras abgebrannt haben und ich war schwarz von Kopf bis Fuss und meine Beine sind ein Kratzmosaik.

Zurück zu Hause hatte ich sehr, sehr schwere Beine und die Füsse, die ich gestern am Abend ewig geschruppt hatte, waren kohlenraben schwarz und ich musste sie zuerst in einem Becken einweichen.

Das Leben hier ist irgenwie schon beschissen. Einerseits ist es sehr fruchtbar, alles wächst, Bohnen kann man zum Beispiel vier Mal im Jahr ernten, Bananen gibt es immer, es wächst Reis, Mais, alles Gemüse, Ölpalmen (genau, die vom Palmöl) und sogar Datteln wachsen. Aber ohne Startkapital und das hat hier niemand, kommst du nie auf einen grünen Zweig. Omar hat zum Beispiel letztes Jahr die Samen für den Mais auf die Seite gelegt, aber wegen Corona wurde alles teurer und der Mais hat nicht gereicht und die Familie wollte essen und so haben sie die Samen halt auch gegessen. Seit Dezember bekommt Omar einen Lohn als Projektleiter, vorher hat er diese Arbeit zum Wohl des Dorfes ohne Bezahlung gemacht, mit dem ersten Lohn ging er sofort Samen kaufen. Ich habe die ersten Bohnen gesehen.

Ich bin froh, dass Omar jetzt einen Lohn bekommt. Er leistet sehr viel für das Projekt und der Lohn entlastet ihn, er kann jetzt anderen einen Lohn bezahlen, die dafür auf seinen Feldern arbeiten und so profitieren mehrere Familien vom Lohn von Omar. Er verdient umgerechnet etwa 230 CHF pro Monat und er arbeitet an sechs bis sieben Tagen pro Woche für das Projekt. Er steht etwa um fünf Uhr auf, geht aufs Feld und ist gegen acht wieder zu Hause, dort bricht er auf um im Centre zu schauen wie es läuft, fährt dann zum Nähatelier und schaut dort ob alles gut ist, geht für Beide, Centre und Nähatelier Einkäufe tätigen, organisiert Sitzungen mit den Frauen, schaut dass alles funktioniert, bringt die Schwangeren zum Ultraschall, die Kranken, die eine Ärztin brauchen ins Spital, kontrolliert die Wasserqualität der Brunnen, macht die Buchhaltung, und…

Das Essen hier ist sehr günstig für mich, aber zum Beispiel das Benzin kostet gleichviel wie bei uns. Das heisst, dass Transportkosten relativ hoch sind. Das ist der Grund warum in einen PW sieben Fahrgäste plus Chauffeur hinein gestopft werden, anders könnte die Fahrt gar niemand bezahlen. Ein klappriger Toyota, der bei uns schon zwei-, dreihunderttausend Kilometer gefahren ist, kostet hier noch gegen viertausend Franken. Und genau darum kommt man ohne Startkapital oder einem regelmässigen Lohn nie auf einen grünen Zweig.

 

 

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