Sylvester

Der letzte Tag des Jahres ist angebrochen und ich warte wieder einmal, ich warte auf Omar. Ok, seine Entschuldigung hat Hand und Fuss, eine Autopanne, er ist mit dem Auto vom Mech unterwegs, glaubwürdig. Er hat versucht mich anzurufen, aber ich war nicht bei meinem Natel, stimmt, zwei Anrufe in Abwesenheit… Im Centre ist ein CPN, sie wollen, dass ich dabei bin. CPN? What the hell…? Nie gehört, was ist das? Etwas geburtshilfliches, sagt Omar. Komische Krankheit. Was erwartet mich wohl? CPN?

Zum Glück kommen wir bald im Centre an, sonst weiss ich auch nicht wohin mich meine Phantasie noch führt. Wobei, CPN, ich kann es unmöglich irgendwo einordnen. Omar weiss nur, dass das der technische Ausdruck für das sei, was mich erwartet. Was das wohl sein wird?

CPN heisst Contrôle Prénatale, also ganz einfach, eine Schwangerenvorsorgeuntersuchung, nichts wildes, etwas ganz normales, etwas das man in einer Schwangerschaft meist regelmässig macht, keine exotische Krankheit, die wegen der Abneigung der Franzosen irgend einen französischen Namen bekommen hat. Ganz ehrlich, ich war erleichtert. Damit kann ich umgehen.

Die Frauen wollten, dass ich die Kontrolle durchführe, ich wollte jedoch, dass ich sie beobachten darf und wir die Kontrolle danach besprechen. Und ich war sehr beeindruckt. Apoline informierte die Frau, war sehr empathisch, nahm sich Zeit, erklärte ihr bei jeder Untersuchung warum sie gemacht wird und was wir dadurch erfahren. Ich konnte nur loben und nur eine kleine Anmerkung hinzufügen. Die Frau hatte ein wenig wenig Blut, sie wird also Eisen bekommen, ein Moment, wo die Ernährung ein Thema hätte sein können. Aber ganz ehrlich, wenn das heute nicht nur Vorführeffekt war, was ich nicht glaube, dann macht Apoline einen hervorragenden Job! Die schwangere Frau ist übrigens bereit bei den Gruppenkontrollen mitzumachen. Wir haben also schon einen Einergruppe!

Dass eher wenig läuft im Centre beschäftigt mich. Es ist nämlich wirklich einladend und ich würde es allen bisher gesehenen Centres, ausser ich bräuchte eine Ärztin, vorziehen. Darum spreche ich mit allen darüber. Und Fatimatou (die Laborantin) hat mir eine neue, wieder einmal einleuchtende Erklärung geliefert. Das Centre de Santé Mbambeluh hat noch keine Bewilligung zum Impfen. Das heisst, alle Schwangeren, die noch Impfungen benötigen, das sind hier routinemässig die Hepatitis Impfungen, Röteln und Starrkrampf, müssen in ein anderes Centre geschickt werden und wenn dort auch noch ein Ultraschall angeboten wird, dann bleiben sie gleich dort. Das Gleiche passiert mit den vielen Kindern, die Impfungen finden dort statt und wenn man schon dort ist, dann kann man auch gleich die weiteren Untersuchungen machen. Fatimatou fand, Omar arbeite bei den Impfungen zu langsam. Also fragte ich Omar. Wir seien das vierte Centre in der Liste, der Centres die eine Impfbewilligung beantragen, er denke mit etwas Glück könnte es 2022 soweit sein.

Ich war halt schon einmal drei Monate hier, also verzeiht mir die nachfolgende Frage an Omar. Könnte man die Beamten dort nicht ein wenig motivieren? Ich denke ihr erinnert euch an die Enveloppes (Briefumschläge), die Motivationen. Doch, doch, 300’000 CFA müssten im Umschlag stecken, knappe 600 SFR, dann dürften wir impfen. 300’000 CFA, um die wieder hereinzuholen bräuchten wir zusätzliche 60 Geburten, oder noch viel, viel mehr andere Kontrollen. Dann doch lieber noch ein Jahr warten und dieses korrupte System nicht unterstützen? Es ist eine schwierige Frage und die Antwort darauf ist noch viel schwieriger.

Lassen wir das mal so stehen und ein wenig sacken. Es ist schliesslich der letzte Tag des Jahres und weder gute Vorsätze, noch schlechte Vorsätze sind heute an der Tagesordnung. Meine Haare sind frisch gefärbt, Ramatou hat mir die Farbe auf den Kopf getupft, ich habe ein Mützig getrunken und zur Feier des Tages Soya vom Böh geholt und werde mich jetzt beim Plärren der Disco, wobei ich ihr vielleicht mit meinem Boom Konkurrenz mache, entspannen. Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch und Danke für eure Kommentare, sie tun gut.

Kochbananen statt Bratwurst

Während ich bei meinem letzten Aufenthalt mehrheitlich Reis mit Gemüse und Erdnüssen gegessen habe, das heisst, alles in eine Pfanne und kochen bis der Reis weich ist, habe ich diesesmal Lust auf Abwechslung. Und darum gab es heute eine Rösti mit Bratwurst, glatt gelogen, mit Kochbananen gebraten wie Bratwurst an Zwiebelsauce. Es fühlte sich ein wenig wie zu Hause und auch ein wenig wie gar nicht zu Hause an. Ich glaube ich habe wieder einmal ein wenig Heimweh. Nicht so schlimm, wie das letzte Mal, es ist mehr eine Sehnsucht, die zum Glück durch euer Scheisswetter sogar noch ein bisschen gedämpft wird. Aber ich freue mich auf die Ruhe in der Felsenau, ich werde unseren autofahrwütigen Nachbarinnen in der ersten Zeit etliche unnötige Fahrten verzeihen. Der ewige Lärm hier setzt mir zu. Ich freue mich auf Spaziergängen darüber dass es ruhig ist, sauge die Ruhe richtig ein.

Ich frage mich, was es mit den vielen Menschen macht, die hier neben der lauten Strasse am Tag und der ebenso lauten Disco in der Nacht leben und diesem Lärm nie entfliehen können. Was es mit Kindern macht, die schon seit ihrer Geburt jede Nacht mit einem ohrenbetäubendem Bumm Bumm schlafen müssen. Heute haben Omar und ich einen Spaziergang gemacht und sind an der Disco vorbei gekommen, da habe ich ihm erzählt, dass ich den Lärm als Folter empfinde. Das französische Wort für Folter kam mir aber nicht in den Sinn und ich versuchte es mit Waterboarding zu erklären. Torture heisst Folter, der Übersetzer hat mir geholfen. Ich weiss, ich bin noch nie gefoltert worden, ich weiss dass ich den Lärm nicht ganz mit Folter vergleichen kann, trotzdem, ich würde für etwas Ruhe einige von euch verraten und alles zugeben.

Ich war heute nicht im Centre. Irgendwie haben Omar und ich so viel besprochen, dass die Zeit einfach davonlief und dann machten wir noch einen Spaziergang zur Schule wo die Pflegehelferinnen ausgebildet werden, wobei dort kein Mensch war, was ich mir schon gedacht hatte, es sind nämlich Schulferien, aber das machte nichts, es war ein schöner Spaziergang. Das ist übrigens eine lustige Schule. Es gibt einen grossen Schulraum mit sehr vielen Schulbänken und vorne einer Bühne und dort werden Pflegehelferinnen, Schreiner und Maurer ausgebildet. Anscheinend zum Teil gleichzeitig im gleichen Raum. Neben dem Schulgebäude stand, das heisst es steht jetzt nicht mehr richtig, es liegt eher, ein kleineres gemauertes Gebäude, das mit seinem Fundament in der Erde versinkt. Entweder lehren sie in der Maurerabteilung der Schule das Fundament bauen nicht, oder die ganze Ausbildung steht auf einem wackligen Fundament.

Der Grund, warum wir bei dieser Schule vorbei gegangen sind, war die Idee, dass das Centre junge Frauen darin unterstützt, diese Schule zu besuchen. Im Moment ist es so, dass drei der tausend Praktikantinnen so genannte Lernende sind. Sie lernen ein wenig das Handwerk der Pflege und bekommen dann vom Centre eine Bestätigung. Damit können sie aber nachher überhaupt nichts anfangen. Jedenfalls nicht nach unseren Massstäben. Omar fand es durchaus wertvoll, da sie durch diese „Ausbildung“ gewappnet sind für das Hausfrauenleben und dort für die Pflege der Angehörigen. Und somit landeten wir wieder einmal beim Leben der Frauen hier. Als Frau brauchst du einen Mann, sonst musst du im Elternhaus bleiben und du musst Kinder gebären. Wenn du keine Kinder gebärst, dann holt sich dein Mann halt weitere Frauen. Traditionen. Und die Frauen haben keine Chance hier auszubrechen, ausser sie hatten das Glück eine gute Ausbildung zu geniessen und sind bereit wegzuziehen und ihr Glück in einer Stadt zu suchen. Das mit der Ausbildung ist aber so eine Sache, die kostet, man muss Schulgeld bezahlen, man muss Lehrgeld bezahlen und das heisst, wenn in einer Familie ein Kind eine Ausbildung geniessen kann, ist es meist männlich.

Ich hoffe ganz fest, dass die Arbeit im Centre für die Frauen einen kleinen Unterschied macht, dass sie etwas mehr Macht über ihr eigenes Leben bekommen.

Réunion

Sitzungen sind immer eine Herausforderung. Sie sollen ja etwas bringen, mehr sein als nur das Sitzen. Damit die Sitzung heute ein Erfolg wird, habe ich mir viel, wirklich viel überlegt. Mein Ziel war, dass die Frauen diskutieren, dass sie selber Lösungen präsentieren, dass die Sitzung zu einem Ergebnis oder wenigstens zu einem Ziel führt. Ich habe die Frauen zur Sitzung willkommen geheissen, erklärt dass wir zwei Themen bearbeiten, die Hygiene und die Gruppenkontrollen und dann die Frage in die Runde geworfen, warum Hygiene denn eigentlich wichtig sei, in einem Centre de Santé. Schweigen, Schweigen, Schweigen… Was denkt ihr, warum Hygiene? Schweigen. Ich möchte gerne mit euch darüber sprechen, was könnt ihr mir dazu sagen? Schweigen. Omar musste einspringen, meine Fragen übersetzen und erklären, dass sie versuchen sollen zu antworten, dass das Ziel eine Diskussion ist. Endlich tröpfelten die Antworten, endlich konnten wir das Thema bearbeiten und tatsächlich haben die Frauen es geschafft eigene Lösungen zu kreieren und endlich war die Diskussion am laufen.

Als ich dann die Gruppenkontrollen vorgestellt habe, war besonders interessant, dass die Frauen, die selber nur eine kurze Ausbildung genossen haben, die Idee, dass die Schwangeren die Antworten zu ihren Fragen, die Wege zur Lösung ihrer Herausforderungen bei sich und in der Gruppe und nicht bei den Expertinnen finden, schneller begriffen haben, als die gut ausgebildete Pflegefachfrau. Im Nachgang der Sitzung, als ich mit Chrigu darüber gesprochen habe, wurde mir klar, dass die Pflegehelferinnen in ihrer Arbeit wahrscheinlich öfter auf die Expertise der Patientin hören, als die Pflegefachfrau, die ja alles weiss. Während Ramatou, Ajara, Fatimatou und Rafiatou sofort verstanden haben, dass sie die Frauen einladen an der Gruppe teilzunehmen, dass die Gruppe wie eine Freundinnengruppe funktioniert, war Apoline noch im Modus, dass man die Schwangeren sensibilisieren muss, dass sie ins Centre kommen müssen, dass sie die einmalige Chance haben eine Hebamme aus der Schweiz anzutreffen, dass, dass… Zum Glück hatte ich Omar vor der Sitzung gut auf die Gruppenkontrollen eingestimmt, er wird noch zum Profi! Nach zehn Minuten Bamoun, hat auch Apoline verstanden.

Sie werden jetzt die Frauen in ihren Quartieren aufspüren und einladen. Und, wer weiss, vielleicht erlebe ich die erste Gruppe. Aber noch einmal zurück, als ich erklärte wie so eine Gruppe funktioniert, habe ich gesagt, dass ich es mit ihnen, zu Beginn der Sitzung ausprobiert habe. Und hat es geklappt? Überhaupt nicht. Gelächter. Und schon hatten wir die Möglichkeit über Wege, zu den Frauen vorzudringen, zu diskutieren.

Zum Abschluss der Sitzung gab es Soja (ist immer noch das Fleisch vom Böh vom Grill und keine Vegifleischersatzvariante), Platanos (das sind Kochbananen) und Jus (das ist Pläterliwasser mit Chuscht) und wie die Tigerinnen haben wir uns darauf gestürzt. Es war lecker.

Am Morgen habe ich mich dem Haushalt gewidmet. Das ist immer noch genau gleich anstrengend wie das letzte Mal. Wäsche waschen, von Hand, Wasser filtern, abkochen, in Flaschen abfüllen und mit einem Besen ohne Borsten und einem zu kurzen Stiel den Boden wischen. Jetzt ist es wieder einigermassen sauber. Bis zur nächsten Sandinvasion.

Fotos folgen. Omar hat gemacht. Aber sie sind noch nicht bei mir.

Die Tür zum Gebärklo

Zuerst die gute Nachricht. Ich habe nach zwei Tagen wieder Wasser. Und übrigens es gibt keine schlechte Nachricht.

Der Schreiner, der mich das letzte Mal mit seiner Langsamkeit fast wahnsinnig gemacht hatte, war heute pünktlich um 09h im Centre. Omar und ich kamen zu spät, nicht viel, aber trotzdem, die Schweizerin geschlagen von einem Kameruner. Die Türen im Centre gehen alle in Richtung der Zimmer auf, also auch im Gebärraum. Wie ich euch schon beschrieben habe, ist der Raum etwas 2x2m gross, durch die normalgrosse Tür geht also einges an Platz verloren. Deshalb musste der Schreiner sie neu montieren, damit sie nach aussen aufgeht. Und er hat es gemacht! Heute, er war schon am frühen Nachmittag fertig! Soo schöön!

Und das ist noch nicht alles, Jaja bekam vorgestern von uns den Auftrag, eine Trennwand, die nachträglich im Patientinnenzimmer eingezogen worden war zu streichen, gestern am Abend haben wir die Farbe gebracht und heute am frühen Nachmittag war die Wand gestrichen. Wenn die so weiter machen, geht es mir irgendwann zu schnell. Ich habe mich auf Kamerun eingestellt…

Heute gab es auch endlich wieder Arbeit. Es hat zwar nur getröpfelt, aber immerhin. Wenn jetzt noch ein kleines bisschen weniger Personal anwesend wäre, heute waren es acht für drei Patientinnen (da sind übrigens die männlichen mitgerechnet), dann wäre es richtig schön dort. Wenigstens haben die Praktikantinnen heute endlich verstanden warum es unangenehm ist, wenn sie alle im Behandlungszimmer Maulaffen feilhalten.

Heute waren nur zwei Kinder anwesend. Der Sohn von Fatimatou, der Laborantin, der etwa zehn Monate alt ist und durchs Centre kriecht und dessen Namen ich vergessen habe und der Sohn von Apoline, der etwa anderthalb ist und Brandon heisst. Der kleine Brandon beeindruckt mich. Er beschäftigt sich den ganzen Tag, er beobachtet Sachen, dreht seine Runden ums Centre, schnappt sich jemand, wenn er Unterstützung braucht, ist einfach da und schaut auf sich selbst. Etwa einmal pro Stunde sucht er seine Mutter und vergewissert sich, dass sie noch existiert und Punkt halb vier (Feierabend) wird er grantig und will nach Hause gehen.

Und ich habe Sport gemacht. Das heisst für Schweizerohren, ich bin spazieren gegangen. Heute ging ich in Richtung der Felder, es gab recht viel Verkehr, da im Moment der Reis geerntet wird. Viel Verkehr heisst, dass etwa drei Männer mit den Töffs die Reissäcke geholt haben und zur Dreschmaschine gebracht haben, dass ich Frauen mit Reissäcken oder Holzbündeln auf dem Kopf kreuzte, dass ich Kindern, mit wunderlichen, selbstgebauten Schiebefahrzeugen (ich habe sie leider nicht fotografiert, brauche noch etwas Zeit bis ich wieder derart dreist bin) beim Nüsse knacken angetroffen habe und bei der Rückkehr in einem Pulk Frauen und Kinder gelandet bin. Viel Verkehr heisst auch, dass alle wissen wollten wohin ich gehe, eine Frage auf die es nur eine allgemein verständliche Antwort gibt, Sport.

Heute war Viehmarkt zwischen Koutaba und Foumban, wie jeden Dienstag. Und am Abend sind die Böhs durch Koutaba gezogen, wie jeden Dienstag. Was anders war, ich habe gefragt wie es funktioniert. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, dass die Bororos am Dienstag mit ihren Herden auf den Markt gehen, ein paar Tiere verkaufen und wieder nach Hause gehen. Dass ich die Böhs immer nur in eine Richtung gehen sah, habe ich mir nie überlegt. Heute kam ich wenigstens zu Schluss, dass es schon ein wenig dumm ist, die Böhs am Dienstag auf den Markt zu treiben und dann wieder nach Hause, dass die sowieso schon mageren Viecher ja noch magerer werden, wenn sie jede Woche so weit laufen müssen. Und ich wurde ausgelacht. Die Böhs kommen aus dem Norden, werden auf dem Markt verkauft und laufen dann an mir vorbei in Richtung Metzger in Foumbot oder Bafoussam. So fies! Alle Romantik am Arsch.

Da die Romantik auf der Strecke geblieben ist, mache ich halt Schluss, trinke mein Bier aus und lese weiter in meinem Sience Fiction Roman.

Missbrauch

Heute kamen Omar und ich ins Centre und es war nicht schön. Wir trafen dort vier Frauen mit ihren Kindern an, die ihre Töchter zur Untersuchung brachten. Ein Mann aus dem Dorf hat die sechs Mädchen missbraucht. Der Mann war schon im Gefängnis wegen Missbrauch von Mädchen. Jetzt ist er verschwunden, geflüchtet. Ich war beeindruckt von diesen Müttern, die versuchen ihre Töchter zu beschützen. Die nach der Untersuchung der Mädchen zum Chef du village mussten um alles noch einmal zu erzählen und die heute gegen Abend mit den Vätern noch einmal zum Chef du village zurückkehren mussten um alles noch einmal zu besprechen. Um dann, wahrscheinlich morgen, bei der Gendarmerie noch einmal darüber zu sprechen. Ich war dankbar, dass im Centre nur Frauen arbeiten, dass ihr erster Schritt, die Untersuchung der Mädchen, zusammen mit anderen Frauen gemacht werden konnte. Es ist schrecklich.

Ich bin da gesessen und habe mich daran erinnert, wie unsere Eltern uns gewarnt haben, gewarnt vor Männern, die Kinder verschleppen, gewarnt vor Männern, die freundlich scheinen, aber nicht sind. Ich erinnerte mich, dass sie gesagt haben, das wir auch mit Männern, die wir kennen vorsichtig sein müssen, dass man nie sicher ist. Und ich erinnerte mich, wie abstrakt das war, wie unsicher ich wurde, wie ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte, dass es Menschen gibt, die so etwas machen. Heute weiss ich es, im Kopf, aber ich kann es immer noch nicht nachvollziehen, es bleibt unvorstellbar.

Ich bin froh für die Mädchen, dass ihre Mütter reagiert haben, dass sie sie ernst genommen haben und dass auch der Chef du village sie ernst nimmt. Vielleicht hilft das bei der Heilung.

Was irritierend war, alle Praktikantinnen waren im Behandlungsraum versammelt, auch mich hat man bei der Ankunft sofort dort hinein geschleppt. Ich bin gleich wieder rausgegangen und habe geschaut, dass die Praktikantinnen diskret hinaus befördert werden. Nachdem die Frauen mit ihren Kindern zusammen mit Omar zum Chef du village aufgebrochen waren, bat ich Apoline um ein Gespräch.

Es kann, es darf nicht sein, dass mehr Personen im Behandlungszimmer sind als nötig. Es kann nicht sein, dass die zum Teil sehr jungen Frauen dort drinn stehen und gaffen. Was ist mit der Schweigepflicht? Apoline versicherte mir, was im Behandlungszimmer geschehe bleibe auch dort und bei der Untersuchung habe sie alle rausgeschickt. Und trotzdem, es ist unangenehm, wenn du deine Geschichte vor einem grossen Publikum erzählen musst. Und, die Praktikantinnen sind zum Teil Schülerinnen, vielleicht viehrzehn Jahre alt, vielleicht weniger, wie werden die das gehörte verarbeiten? Was passiert jetzt mit ihnen? Mit wem sollen sie darüber sprechen, wenn Schweigepflicht herrscht? Apoline gab mir den Punkt.

Ich weiss, dass hier vieles anders ist als bei uns, dass die Leute, bevor sie eine Anzeige machen können zum Chef du village gehen müssen, aber gerade deshalb glaube ich, dass auch vieles gleich ist, dass wir Menschen sind und in vielem ähnlich funktionieren.

Flaute im Centre

Heute habe ich endlich eine plausible Antwort auf die Frage, warum hat es hier keine Patientin, bekommen. Es sei, weil jetzt Trockenzeit ist, da bekommen die Leute höchstens Schnupfen, Husten, gripale Infekte und halt die altbekannten Coronaviren. Mit diesen Leiden gehe man hier nicht zur Ärztin oder ins Centre, da schlucke man ein Dafalgan. Malaria und Typhus sind Krankheiten der Regenzeit, jetzt nur sehr selten.

Ajara war heute am arbeiten und es war sie, die mir diese Antwort gegeben hat. Für mich heisst das, dass diese Saisonabhängigkeit nur mit einer guten Geburtshilfe aufgefangen werden kann. Gebären hat nämlich das ganze Jahr Saison, es ist bei uns nicht wie bei den Schafen, wie Chrigu bemerkte, wir können uns das Gebären das ganze Jahr über leisten. Und hier kommt meine Idee ins Spiel.

Ich musste kurz zurück schauen ob ich nicht schon darüber geschrieben habe, weil, bei aller Renundanz, Wiederholungen sind langweilig. Ich habe noch nicht darüber geschrieben, dafür darüber gesprochen, mit den Frauen im Centre, denen die ich bisher angetroffen habe und mit Omar.

Also. Die Idee ist, Gruppenkontrollen in der Schwangerschaft und eventuell auch im Wochenbett anzubieten. Das tönt jetzt noch nicht besonders knackig ich weiss. Aber es wird besser. Die Frauen kommen nicht einzeln zur Kontrolle, sondern in der Gruppe, alle etwa gleich weit in ihrer Schwangerschaft. In einem ersten Teil finden die Kontrollen statt. Was die Frauen selber machen können, wie zum Beispiel sich wägen, machen sie selber und tragen es in ihren Unterlagen ein, falls nötig mit Unterstützung. Jede Frau geht auch zur Hebamme und wird individuell unter Wahrung ihrer Intimsphäre untersucht. Im zweiten Teil treffen sich die Frauen in der Runde, hier können sie alle allgemeinen Fragen an die Hebamme stellen, so dass alle Frauen profitieren. Danach wird ein Thema, das für die Frauen wichtig ist, diskutiert. Das heisst, die Hebamme steuert als Expertin die Theorie bei und die Frauen diskutieren dann untereinander, was das für sie jetzt heisst und wie sie das allenfalls umsetzen können.

Die Idee stammt natürlich nicht von mir. Es handelt sich hier um das Centering Pregnancy Model von Sharon Schindler Rising und Charlotte Houde Quimby.

Die Frauen übernehmen, so die Evaluationen, mehr Verantwortung für sich, aber auch für die anderen Frauen in der Gruppe. Sie sind besser informiert, da in der Gruppe mehr Fragen zusammenkommen und die Hebamme muss weniger oft auf die gleichen Fragen antworten, das heisst, es wird Zeit gewonnen, die den Frauen zu Gute kommt.

Wie kommen wir zu diesen Gruppen, wenn die Frauen oft aus finanziellen Gründen auf die Schwangerenvorsorge verzichten? Wir laden sie ein, das Angebot kostet sie nichts. Nur spezielle Untersuchungen, wie Ultraschall oder Blutuntersuchungen und die Geburt müssen sie bezahlen. Damit aber für die Frauen kein Knebelvertrag entsteht, steht es ihnen offen sowohl für diese Untersuchungen, wie auch für die Geburt in ein anderes Centre zu gehen.

Bisher ist die Idee sehr gut angekommen. Ich hoffe, dass ich sie einfädeln kann. Ich habe bisher mit Rafiatou, Ramatou und Ajara darüber gesprochen und sie waren mit mir einig, dass Sensibilisation, wie sie hier gemacht wird, das heisst hingehen und sagen wie die Leute es machen sollen, nichts bringt. So besteht die Hoffnung, dass in der Diskussion, im Miteinander mehr herauskommt.

Es ist extrem trocken hier. Ich trinke und trinke und kaum habe ich getrunken habe ich wieder einen trockenen Mund, Tag und Nacht. Und ich habe Heuschnupfen! Zuerst dachte ich es ist vielleicht Covid, dann schwenkte ich in Richtung Malaria, bis ich mich entschied ein Heuschnupfentablettli (ich habe sie tatsächlich eingepackt) zu schlucken.

Und noch zur neusten Jagd in der Wohnung. Nein, nein, nein es sind keine Mäuse – bisher. Es sind Kakerlaken. Auch gruslig. Ich habe überall Gläser deponiert und wenn ich eine sehe, schwupp stülpe ich das Glas über sie. Omar entsorgt sie dann. Er bringt sie weit weg von der Wohnung. Ich gebe es zu, es ist keine Invasion, es waren bisher erst drei, aber eine war gefühlt handtellergross (von Chrigus Händen) und irgendwie war mir, dass ich einmal gelesen habe, dass man sie nicht tottreten darf, da sonst die Eier rauskommen und man dann tatsächlich eine Invasion hat. Vielleicht ist das ein Märchen, aber besser vorsichtig bleiben…

Peinlich, peinlich…

Ich habe euch schon unter Tränen erzählt, dass das Gebären nun im Klo stattfindet. Zusammen mit den Frauen und Omar versuchen wir das Beste daraus zu machen und schieben und rücken. Ich wollte den Lindenhofgebärschragen verrücken, wollte das Beinteil unter das Körper- und Kopfteil schieben, der kann nämlich wie ein Bett sein, wie ein Stuhl oder zu einer Gynäkologinnenliege umfunktioniert werden (da liegen übrigens keine Gynäkologinnen drauf, ausser sie sind selbst Opfer einer solchen). Aber nichts ging, es war verhockt und es klemmte. Omar holte also Öl, Hammer, Feile und Zange und wir arbeiteten und arbeiteten. Dort wo geölt werden musste funktionierte das Bett bald wieder, aber sonst, dauermd klemmte und verhakte es sich. Es war ein Elend. Omar arbeitete mit Hammer und Feile, aber irgendwie klappte es nicht. Es funktionierte ein Stück und verhakte wieder. Bis Omar, auf einmal bemerkte, wir sind im Bad, der Boden ist schräg, damit das Wasser abläuft und siehe da, zwei Holzstücke unter die Räder und das Ding stand gerade und der Mechanismus funktionierte tadellos. Peinlich, peinlich…

Schade, dass es die Bigla nicht mehr gibt, sie sind nämlich verantwortlich für den Schragen, sie hätten die Möglichkeit gehabt, innovative Gebärbetten für schräge Böden zu bauen.

Das mit der Hygiene ist so eine Sache. Auf den ersten Blick sieht das Centre sauber und gepflegt aus, aber schaut bitte nicht in die Ecken, schaut nichts von unten an, schaut einfach kurz darüber, freut euch und schaut nicht zu genau. Ein Problem liegt in der Grösse, beziehungsweise der Kleine. Das Centre ist vollgestopft, schwere schöne Holzbetten, schwere schöne Nachttische, Infusionsständer, Trennwändchen, Rollstuhl, Schränke, Kommoden… ich höre jetzt auf. Eigentlich bräuchte man vor jeder Reinigung ein Umzugsunternehmen. Wir müssen Lösungen finden um trotz klein anständig putzen zu können.

Heute hat Ramatou gearbeitet, zuerst mit der Praktikantin mit den Zwillingen, die hat vor allem gestillt, dann alleine. Ramatou ist sehr wärchig, sie ist auch die, die putzt und das auch ernst nimmt. Wahrscheinlich die Einzige. Ich bin ja, wie viele wissen, alles Andere als eine putzige, aber auch ich fühle mich in einem sauberen Spital, einer sauberen Praxis wohler.

So, fertig Hygiene. Ich werde langsam zur kamerunischen Strassenroudie. Traue mich ohne zu zögern auf die Strasse zu fahren. Und übrigens heute ist Weihnachten. Eigentlich hätte ich gerne einen Weihnachtsschnulzen geschaut, aber die Verbindung ist Scheisse, dann halt lesen.

Morgen werde ich endlich Fotos machen. Irgendwie kam ich noch nicht dazu. Und übrigens, von Covid merkt man herzlich wenig, ausser ein paar englische Anschläge im Centre, die eh niemand versteht.

Es heiligt so Abend

Ein Mützig, erinnert ihr euch? Drogenabgabestelle, die Frau die hinter Gitter Bier verkauft. Also, ein Mützig, die erste Avocado und das Ipad, so beginne ich den heiligen Abend.

Heute am Morgen wurde ich von unerträglicher Chrismas-Musik empfangen, abgespielt unter meinem Balkon und das nach einer Disco Nacht bis es hell wurde. Ok, die Chrismas Dings, Musik ist irgenwie das falsche Wort, haben erst etwa um acht Uhr raufgetönt. Ich hatte knapp zwei Stunden Ruhe, immerhin. Das war eine richtige Scheissnacht. Sämi (der von Anna) hat mir Ohrstöpsel mitgegeben, die schliessen wirklich super, man hört nichts mehr von aussen, nur noch von innen, das war aber nicht das Problem, das Hören von innen, die Stöpsel an den Stöpseln,die waren das Problem. Diese Stöpsel schauen aus den Ohren, was eigentlich sinnvoll scheint, ausser wenn man auf der Seite schlafen möchte…

Im Centre war es recht speziell. Da war Rafiatou, die Verantwortliche des Tages, da war Fatimatou, die Laborantin des Tages und da waren fünf junge Praktikantinnen, da war aber keine Patientin und auch kein Patient. Gut, eine der Praktikantinnen hat Zwillinge, die hätte sowieso kaum Zeit zum arbeiten gehabt, da sie die Beiden abwechslungsweise stillen musste, eine weitere musste ebenso oft stillen und Fatimatou hat auch endlich wieder ein Kind. Übersetzt, neben sieben Frauen waren auch noch vier Kinder anwesend. Und immer noch keine Patientin. Speziell. Omar forderte die Praktikantinnen auf den Esstisch zu putzen und schwups haben sie zu dritt den Landiklapptisch geschruppt. Ich habe mich im Gebärklo umgeschaut und überlegt, wie wir die Situation verbessern können, da viel mir auf, dass alles ziemlich schmudelig ist und dringend eine Reinigung verträgt und schwups waren sie zu fünft drinn um zu putzen. Der Raum ist zwei mal zwei Meter gross, darin steht eine Kloschüssel, ein Lavabo, eine grosse Wickelkommode, der Lindenhofgebärschragen, eine fahrbare Lampe, eine Wärmelampe und zwei grosse Eimer, vielleicht kann mir jemand erklären, wie da noch fünf Frauen hinein passen und es erst noch sauber werden soll. Na, ja, da wartet noch etwas auf mich.

Hier hätte ich gerne ein Foto von mir und Raffiatou gepostet, aber es geht leider nicht, weil hässlich…

Omar fand, dass die Frauen untereinander sehr schlecht organisiert sind. Ich habe ihm dann erklärt, dass Zuständigkeiten definiert sein müssen und dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, ein Team zu organisieren, von einer Basisdemokratie, bis hin zu einer klaren Hyrarchie. Dass der Entscheid wie das Centre organisiert sein soll, hier bei ihnen liege und den Gegebenheiten angepasst werden müsse. Omar entschied sich klar für ein hyrarchisches Modell. Gemeinsam haben wir das Modell aufgezeichnet. Nun muss Omar produzieren, Stellenbeschriebe, angefangen bei sich selber, weiter über die Chèfe du Centre, ihre Stellvertreterin, die Laborantin, die Pflegehelferinnen, die Praktikantinnen… Ressorts definieren, Dienstwege, Mitarbeiterinnengespräche, etc. Ich werde ihn natürlich unterstützen, aber das System kann nur funktionieren wenn er, in Zusammenarbeit mit den Frauen, das Konzept erarbeitet.

Aber zurück zum patientinnenfreien Centre. Omar ist überzeugt, dass es mit der finanziellen Flaute zusammenhängt, dass die Leute lieber Dafalgan einwerfen als ins Centre zu gehen. Das kann sehr gut ein Grund sein, aber ich glaube nicht, dass es der Einzige ist. Da stehen, sitzen, liegen zu viele Frauen aus dem Dorf herum, ich bin nicht so sicher, ob die Leute im Dorf ihre Krankheiten im ganzen Dorf veröffentlichen möchten, Themen wie Schweigepflicht werden bei dieser Flut an äusserst jungen Praktikantinnen wichtig. Ich habe Omar gefragt ob, wenn er einen Abszess an seinem Penis hätte, er nicht vielleicht lieber in ein Centre ginge wo ihn niemand kennt. Er gab mir den Punkt. Das Centre muss in diesem Bereich zuverlässig wirken, sonst gehen die Leute anderswo hin oder behandeln sich selber. Hinzu kommt, dass diese Flut an Praktikantinnen auch nicht seriös ausgebildet werden kann und so hängen sie in ihrer Arbeitsmontur im Centre herum und schlafen mitten im Nachmittag.

Und noch etwas zu Baschi, er wird es lesen, er wird benachrichtigt sobald etwas über ihn geschrieben wird. Er kam heute am Morgen zu mir und sagte, dass ich gestern geschrieben hätte, dass er seine Geschenke abgeholt habe. Er wusste noch anderes über meinen Blog (das mit den Mäusen) und das, obwohl er kein Deutsch versteht. Kuul!

Der Hauptgang war eine Pfanne aus Kartoffeln, Kochbananen, Paprikaschoten, Zwiebeln, Erdnüssen, Ananas und Tomaten. Es ist ein bisschen dunkel geraten, aber war sehr lecker. Draussen hat die erste Disco aufgedreht, aber ich habe inzwischen mein Fenster mit Schaumstoff abgedichtet, das hat schon beim ersten Besuch in Koutaba geholfen. In dem Sinne wünsche ich euch einen heiligen, heiligen Abend, oder so.

Der erste Tag

Ich muss mich definitiv wieder an das komplizierte Leben gewöhnen. Und dabei habe ich hier vieles, was andere nicht haben. Ich habe oft Strom, bin ausgerüstet mit Notfallstromquellen und Notfalllichtquellen, ich habe oft fliessendes Wasser und bin ausgerüstet mit Notfallwasserkesseln und zwei Notfallwassertonnen. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen? All diese Notfallutensilien müssen gefüllt werden, mit Strom oder mit Wasser und das möglichst schnell wenn das Eine oder der Andere verfügbar ist. Und genau jetzt wo ich darüber schreibe, hat sich der Strom abgemeldet. Aber wie schon gesagt, ich bin ausgerüstet, bewege mich mit Licht in meiner Nähe. Es wird nämlich stockdunkel, etwa wie in der blinden Kuh.

 

 

Aber zurück zum komplizierten Leben, das mit dem Hände waschen zum Beispiel, es ist so einfach die Hände unter fliessendem Wasser zu waschen. Einfach den Hahn aufdrehen, die Hände befeuchten, einseifen, zweimal Happy Birthday singen und abspülen. Mit einer Flasche oder einem Krug wird es schon schwieriger, zuerst die eine Hand anfeuchten, dann die andere Hand, dann einseifen Happy Dings singen, zweimal, und dann, das Problem, beide Hände sind eingeseift. Soll ich jetzt den Krug mit der eingeseiften Hand nehmen und die Andere abwaschen um dann mit der abgewaschten Hand wieder die Seife auf dem Krug… schwierig. Und schon bin ich in der Situation, dass ich meine Hände weniger oft, weniger gründlich wasche. Ich glaube Berset wäre enttäuscht von mir.

Ich habe Omar einen neuen Laptop mitgebracht. Heute habe ich ihn übergeben, das war richtig schön, Omar hat gestrahlt als ob sein Geburtstag und das Ende des Ramadans gleich heute sind.

Dann haben wir noch vieles besprochen und ich bin Auto gefahren. Ich war ziemlich nervös, es hat wirklich sehr viel Verkehr, viele Töffs und Fussgänger. Das Problem ist nicht, wenn du schon auf der Strasse bist, da kannst du auch einfach gemütlich, langsam fahren. Das Problem ist es, auf die Strasse zu kommen, da muss man sich zuerst eine Stufe hinauf quälen um sich dann einreihen zu können und das muss dann plötzlich sehr schnell gehen, sonst hast du die kleine Lücke verpasst und alles fängt wieder von vorne an. Aber ich habe es geschafft, bin die Stufe hochgebraust und war auf der Strasse, keine Gefährdung von Leben, alles sicher.

Im Centre haben wir eine riesen Crew angetroffen, aber keine Patientin, keinen Patienten. Die Leute haben im Moment anscheinend kein Geld für medizinische Behandlungen, in anderen Centres sei auch Flaute. Es sei Hochsaison der Automedikation, sagen sie. Ich bin da ehrlich gesagt etwas skeptisch, bei einem Einzugsgebiet von gut tausend Menschen kann ich mir das fast nicht vorstellen. Ich werde dem nachgehen.

Zurück am Küchentisch in Koutaba

Start in Kairo.


Da sitze ich wieder. Es hat sich nicht viel verändert, obwohl, der Tisch steht jetzt längs, nicht mehr quer und ein neuer Kochherd steht hinter mir… aber sonst, alles wie gehabt. Wie gehabt war auch der Stromausfall gestern Abend, das Wasser, das nicht fliesst, der Koutaba-Sound, eine Mischung aus Motoren, Hupen, Stimmen und Konserve.

Gestern war ich kurz im Centre. Ich weiss, euch interessiert ob es noch da ist, ob es total heruntergekommen ist. Es ist noch da, es sieht recht ordentlich aus, es hat einen neuen kleinen Anbau mit einem Männerzimmer und einer sogenannten kleinen Chirurgie, es hat einen weiteren kleinen Anbau mit einer Umkleide für das Personal und drei Avocados, die richtig schön gross geworden sind. Der Brunnen ist gut besucht und die Kinder spielen an der Schaukel. Es war schön anzukommen und alles zu sehen.

Und doch hat mein Herz geblutet. Das Gebärzimmer wurde auf Weisung der Behörden ins Bad verbannt. Es muss gekachelt sein, Gebären ist nur möglich in einem abspritzbaren Raum, es darf nicht gemütlich sein, es ist eher verwandt mit einer Metzgerei… Mein Herz blutet, der Lindenhofgebärschragen steht neben der Kloschüssel, die Wickelkommode steht neben der Kloschüssel. Was ein wenig Hoffnung macht, die Frauen haben ein paar kleine Dekos angebracht, ein verzweifelter Versuch, dem Raum den Schrecken zu nehmen. Wobei, die Frauen hier kennen nichts anderes, sie erwarten genau einen solchen Raum – vielleicht kann man trotzdem etwas ändern…

Viel mehr weiss ich noch nicht. Ich werde aber weiter berichten. Ah, und Baschi ist schon vorbei gekommen um ein Geschenk abzuholen.