Kassenbuch

Der Tag war anstrengend. Es gibt noch sehr viel zu tun und alles ist sehr kompliziert hier. Eigentlich möchte ich gerne verschiedene Papiere erstellen. Aber, obwohl vier Lapptops rumstehen, geht keiner. Das heisst, jetzt geht vielleicht einer, Omar war bei einem Crack. Einen Drucker haben wir nicht und ein Stick um auswärts zu drucken fehlt auch.

Ich weiss, man kann die Listen auch von Hand schreiben. Aber nicht ich, immer nach einem Drittel mache ich einen Fehler und es sieht nicht mehr schön aus. So blöd!

Mit Engelsgeduld, etwa aus hundert Richtungen erklärte ich den Frauen im Centre heute, wie sie ein Kassenbuch führen müssen. Es ging darum die Eingänge, die Ausgänge und den Saldo hineinzuschreiben. Zuerst haben sie mich angeschaut als hätte ich einen Flick weg. Dann, als würde ich von ihnen verlangen eine Abhandlung zur Relativitätstheorie zu schreiben. Mit der Zeit dann, ein leichtes Verstehen, ganz sanft, wie Flaum. Noch einmal gingen wir den Vorgang Schritt für Schritt durch. Die Patientin bezahlt eine Behandlung, bekommt eine Quittung und wir bekommen das Geld. Das Geld geht in die Kasse, jetzt ist mehr Geld in der Kasse als vorher. Das schreiben wir in das Buch. Und endlich, eine der Frauen strahlt (das Früchtchen) und begreift. Dann erklärt sie das Ganze den anderen Frauen in ihrer Muttersprache. Alle strahlen, finden das Kassenbuch sehr hilfreich.

Beim Mittagessen haben wir „ich sehe etwas, das du nicht siehst und es ist blau“ gespielt. Das war sehr sehr lustig und die Frauen haben das Spiel genossen.

Heute gibt es Kartoffelstock (richtigen) mit Sauceneiern. Dänu kocht.

Le ministre de l’agriculture et du développement rural

Heute war der Tag an dem Doktor Suzanne Lancer zum Empfang mit dem Landwirtschaftsminister eingeladen war. Heute durfte ich das politische Kamerun kennen lernen. Und es war sehr spannend. Das Programm sah vor, dass um acht Uhr die Stühle hingestellt werden. Es handelte sich dabei um die üblichen Plastikstühle, die möglicherweise etwas mit dem Äquator zu tun haben, denn in Myanmar und in Kamerun sind es die gleichen Plastikstühle. Auch die Zelte zum Schutz vor der Sonne wurden aufgestellt. Und, jetzt kommt es, die Sofas und Fauteuils wurden aus dem Haus des Chefs aufs Festgelände getragen, als Sitzgelegenheit für den Minister und seine Entourage. Um neun Uhr dreissig wurden die Tanzgruppen, die geladenen Gäste und die Kinder installiert. Um zehn Uhr mussten die lokalen Autoritäten installiert werden. Um zehn Uhr dreissig fand der Empfang der verschiedenen Delegationen statt. Und um elf Uhr sollte er kommen, der Minister. Die Dorfhonoratorien stellten sich in eine Reihe auf, die Frauen der Kooperative vis à vis. Etwa nach 20 Minuten durften sie wieder in den Schatten.

Um zwölf Uhr, neue Reihen. Und dann kam er. Stellt euch ein kleines Dorf vor, stellt euch eine Piste vor, kaum befahrbar. Und nun, stellt euch über zehn Panzer (SUVs) vor, die daher gerauscht kommen. Die Reihen mit den Frauen und den Honoratorien mussten immer weiter nach hinten rücken um Platz für den Konvoi zu schaffen.

Die Kinder sangen die Hymne, der Maire von Koutaba hielt eine Rede, der Präsident von der Kooperative hielt eine gute Rede und die Delegierte von, ich weiss nicht mehr genau was, hielt eine kurze Rede. Und dann hielt der Minister seine Rede. Und, obwohl ich gerne spotten würde, er war sehr warmherzig und man hatte das Gefühl, dass ihn die Leute berührt haben.

Der Minister und seine Frau.

Und wie ging es Doktor Suzanne Lancer? Sie stand bei der Ankunft des Ministers etwa in der dritten Reihe und machte sich ein wenig lustig über die Szene. Die Frau des Ministers steuerte auf sie zu, verscheuchte die Leute rundherum um Frau Doktor Suzanne Lancer die Hand zu reichen.

Besichtigung der Kooperative und Vorführung der Reisschälmaschine.

Heute ist Dänu angekommen. Ich war nicht ganz sicher ob er zügelt, als ich sein Gepäck sah. Er hatte die obligaten zwei Koffer dabei und ausserdem Douala leergekauft. Er kam mit Simplice, den ich schon kenne und Adele aus Yaounde. Es ist jetzt ganz anders hier in der Wohnung, aber das Leben tut gut.

Im Centre wurde auch heute tüchtig vorbereitet. Die Frauen gewöhnen sich langsam an mich und ich gewöhne mich an sie. Aber ich muss etwas von dieser Sprache lernen. Es ist wie bei uns, wenn wir immer wieder ins Berndeutsche fallen.

Es ist für mich wichtig, dass sie in ihrer Muttersprache diskutieren können, sonst komme ich mir vor wie eine Kolonisatorin. Aber es ist sehr unangenehm. Wenn ich überhaupt nichts verstehe.

Bafoussam

Der Tag begann mit Putzen. Morgen kommt Dänu, so habe ich die Wohnung geputzt. Das ist sehr aufwändig! Schon nur, bis genug Wasser im Kessel ist, um den Boden aufzunehmen, geht es ewig. Die Putzgeräte, ich meine nicht Staubsauger, Dampfreiniger und Co., die simplen, wie Besen, Kehrichtschaufel und Fegbürste, unbrauchbar. Aber ich habe es geschafft.

Geografische Orientierung für euch.

Danach fuhren Omar und ich nach Bafoussam um einige Besorgungen fürs Centre zu machen. Die Stadt hat mir sehr gefallen. Sie hat zwei gedeckte Märkte, den marché A und den marché B. Der Unterschied liege in der Qualität der Ware. Heute sind wir am marché A nur vorbei gefahren, aber ich werde ihn sicher bald besuchen. Wir waren in zwei Supermärkten, à la Afrika. Im Einen gab es eine Möbelabteilung mit Brockenstubenmöbeln, die aber zu Preisen verkauft wurden als wären sie neu. Zuerst war ich geschockt, dann rechnete ich ein wenig. Falls die Möbel tatsächlich aus Europa nach Kamerun geschafft wurden, ja, dann werden sie tatsächlich sehr teuer.

Bafoussam

Heute ist mein zweiter Mittwoch. Das heisst, wieder Markttag. Da ich mich nicht traue, einfach Fotos zu machen, versuche ich Euch den Markt zu beschreiben. Obwohl er eigentlich unbeschreiblich ist. Über die vielen Menschen und den Lärm habe ich schon oft geschrieben. Aber an diesem Tag gibt es noch etwas anderes, die Gerüche. Jeder Teil riecht anders. Mal liegt etwas würziges, ein wenig wie Curry, in der Luft, dann wird es abgelöst von gegrilltem Fleisch, vom Schweiss der Menschen, Bananenduft, alte Socken und je näher die Strasse kommt, Diesel … die Nase wird, wie auch die Ohren und die Augen, mit vielen Eindrücken gelockt, verscheucht, gefordert, überwältigt.

Die Augen können sich zwischendurch kaum satt sehen, all das Gemüse, die Stoffe, die Kleider, das Fleisch und widerliche kleine getrocknete Fische, die Frauen in ihren bunten Kleidern, mit den Babys am Rücken, die Männer in den kunstvollen Djellabas, die Kinder, die Mädchen mit eindrücklichen Frisuren. Heute habe ich die toten, flachen, getrockneten Ratten zum Glück nicht gesehen. Dafür weiss ich jetzt wozu sie dienen. Das ist ein Rattengiftverkäufer.

Die allgegenwärtigen Mottotaxis.

Ich möchte nicht mit den toten, flachen, getrockneten Ratten aufhören. Das ist gruselig.

Heute feiern die Borobos ihr Fest. Die Borobos sind eine der zahlreichen Ethnien, die hier leben. Sie sind Viehzüchter und leben im Busch. Die Frauen gehen für die Geburt ihrer Kinder alleine in den Busch. Mal kommen sie mit Kind zurück, mal ohne oder gar nicht mehr.
Das mit den Ethnien ist verwirrlich. Omar hat mir aufgeschrieben wer alles hier lebt.
Neben den Bororos leben auch noch die Foubles und die Haoussas von der Viehzucht. Die Foubles und Haoussas leben jedoch in der Stadt und geben ihre Herden den Bororos in Pflege. Die Anglophonen, eigentlich auch eine Gruppe aus verschiedenen Ethnien, sind Geschäftsleute, Prostituierte, Ärztinnen und Hebämmer. Die Bamilékés sind auch Geschäftsleute. Und Omar gehört zu den Bamoun, die in der Landwirtschaft tätig sind. Die Bamoun hatten, laut Wikipedia, bis 1884 ein unabhängiges Königreich hier im Noun. Das Königreich Bamum.

Réunion

Damit ist nicht die Insel gemeint. Obwohl, die ganz schön sein soll. Aber halt auch von hier, sehr, sehr weit. Dann bleibe ich besser gleich hier in Koutaba. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie gut es mir tut im Centre zu arbeiten. Und ich sage euch, das ist Knochenarbeit.

Heute am Morgen habe ich die Aufgaben an die Frauen verteilt. Wir müssen putzen, einrichten und die Administration vorbereiten. Während bei den Einen der Auftrag einfach ankommt, braucht es bei der Anderen schon etwas mehr Nerven. Eine Aufgabe war, eine Liste der notwendigen Medikamente zu erstellen. Für mich eigentlich sehr klar, dass das von einer diplomierten Pflegefachfrau erledigt wird und nicht von einer Pflegeassistentin. Aber das mit den Medikamenten ist gefühlt das Einzige was die Damen am Centre interessiert. Nun gut. Ich dachte, ich hätte das geklärt. Aber als ich wieder ins Acceuil kam, war besagte Assistentin bei der Pflegefachfrau um über die Medikamentenliste zu diskutieren. Sie hatte riesige Angst, dass zuwenig Medikamente bestellt werden. Mein Hinweis, dass sie eine andere Aufgabe zu erledigen habe, wurde mit einem der wird erledigt, beantwortet. Im Patientinnenzimmer waren zwei Knaben aus dem Dorf dabei die Betten zu putzen. Sie hat sie kurzerhand engagiert um bei den Medis ja nichts zu verpassen. Was lernen wir daraus? Die junge Frau ist sehr innovativ.

Gegen Mittag kam die Schneiderin um die Arbeitskleider zu messen. Das nächste Hallo der Dame. Warum werden die Kleider nicht weiss, hier in Kamerun sind alle weiss. Darf ich dann in weissen Kleidern kommen?

Nun endlich zur Réunion. Habt ihr schon einmal eine Sitzung geleitet, in der alle Diskussionen in einer, euch unverständlichen, Sprache stattfanden? Ich kann euch nur sagen, das ist eine echte Herausforderung. Wirklich! Aber wir haben es geschafft Ressorts zu definieren und zu verteilen.

Vorbereitung der Register

Noch etwas zu den Registern. Wenn ihr je wieder jammert wir hätten zu viel Schreibkram, dann erinnert euch an die kamerunischen Register. Alle Eintragungen ins Patientdossier kommen noch ins Gesuundheitsheft der Patientin und in mindestens zwei Register. Es ist unmöglich, diese Register (wir werden sicher fünf haben) zu vereinheitlichen und in eines zusamnmen zu fassen. Das ist als wenn ihr etwas ganz, ganz Schlimmes machen möchtet, eine Art Sakrileg.
Die Register werden in riesigen Büchern (eines davon hat 1000 Seiten) angelegt. Mit Lineal und Kugelschreiber.

Aber es ist auch eine lustige Truppe, die viele Gefühle zeigt. Und heute war erst der zweite Tag der Zusammenarbeit. Ich habe noch viel, viel Zeit.

Acceuil

Am Donnerstag werde ich übrigens etwas ganz besonderes erleben. Gestern habe ich folgende Einladung erhalten:

Da wird man plötzlich VIP

Putztag im Centre

Zuerst möchte ich Euch noch einmal danken für die schönen Kommentare. Ich freue mich jedesmal, wenn ein Neuer gekommen ist. Zwischendurch kommen zwar Spam-Kommentare, aber zum Glück weniger als echte. Regula fragt, ob sie die Adresse weiter geben kann. Da ihr den Blog gerne lest, habe ich weniger Hemmungen wenn auch andere ihn lesen. Also gebt sie weiter.

Rafiatou beim … ihr seht es ja selber
Ajara und Fatimatu

Omar war wieder einmal viel zu spät. Die schweizerische Pünktlichkeit, die er im Centre so gerne einführen möchte, gelingt ihm gar nicht. Angekommen im Centre steht schon eine junge Frau bereit. Mit Kleinkind am Rücken. Etwa zwanzig Minuten später kommt die nächste junge Frau. Mit Baby am Rücken. Und noch einmal etwas später die dritte junge Frau. Mit Baby am Rücken.
Ich war nicht ganz sicher ob sie den heutigen Tag als Kennenlerntag angeschaut haben und darum mit den Babys gekommen sind. Aber dem ist nicht so. Sie werden immer mit ihren Babys am Rücken arbeiten. Ich fragte sie, ob sie denn keine Angst haben, dass ihre Kinder sich irgendwelche Käfer einfangen bei der Arbeit. Aber laut ihnen gibt es auf dem Rücken keine Käfer. Die sind vorne.

Wir haben geputzt und eingerichtet. Das tat sehr gut. Endlich bin ich aktiv, endlich kann ich gestalten. Mit den drei Frauen war es lustig. Aber sie werden ziemlich harte Brocken werden. Sie wollen, dass alles so ist wie immer. Ich weiss nicht wie oft ich heute den Satz: „Aber in Kamerun machen wir das anders.“ gehört habe. Und ich habe den leisen Verdacht, dass ich diesen Satz in der nächsten Zeit noch oft hören werde.

Schwierig war es heute mit den Männern. Die sollten eigentlich mithelfen beim Rumtragen der schweren Möbel. Sie haben zwar getragen was ihnen aufgetragen wurde, aber kaum war das Möbel an seinem Platz waren sie wieder verschwunden. Dabei gab es noch mehr Möbel. Also, wieder anrufen. Und die Herren fuhren wieder 10 Kilometer von Koutaba mit ihrem Motorrad nach Ngoundoup um nach einem Möbelstück wieder nach Koutaba zu verschwinden und nach einem Anruf wieder mit dem Motorrad…

Am Feierabend bin ich spazieren gegangen. In Ngoundoup. Das war schön!!! So ruhig! Ich bin auf einen Hügel gestiegen und habe das Stockhorn gesehen.

Stockhorn
Riesenpilz

Die Pilze dort sieht man schon von weitem. Da musst du nicht mehr mühsam den Pilz suchen gehen. Er hat nur einen kleinen Nachteil, er ist etwas zäh. Er besteht aus Erde und drinn wohnen Termiten. Aber nach der Gemüsevielfalt auf dem Markt war ich bei meiner ersten Sichtung eines dieser Pilze nur mässig erstaunt über die Grösse. Ich freute mich auf das Pilzragout. Naja, es ist nicht immer alles, das wonach es ausschaut.

Gestern Abend habe ich für euch noch zwei Bilder gemacht. Praktisch jeden Abend gibt es keinen Strom. Manchmal nur kurz und eher öfter ein, zwei, drei Stunden. Ich dachte, als ich all meine Stromsachen einpackte, ich sei vielleicht ein wenig paranoid. Aber schaut selber, es hat sich gelohnt die einzupacken.

Badezimmerromantik.
Und dann ab ins Bett.

Markttag in Foumbot

Fronarbeit in Ngoundoup

Auf dem Weg zum Markt von Foumbot machten wir einen kleinen Zwischenstopp im Centre. Was dort gerade passierte war berührend. Der Dorfchef sass in seinem Rollstuhl auf einer ebenen Fläche vor dem Centre, umgeben von älteren Herren und arbeitete zusammen mit den jungen Männern des Dorfes. Ziel war die Befestigung der Strasse zum Centre. Sie haben ziemlich viel Erde in die Löcher der Strasse geschaufelt. Die Löcher waren sehr gross. Um sechs Uhr am Morgen wurde der Chef und sein Rollstuhl mit Dänus Auto zum Platz gefahren und die Fronarbeiter mussten beginnen. Es ist nicht so, dass hier aus ökonomischen Gründen oder Pflichtbewusstsein heraus schon um sechs Uhr mit der Arbeit angefangen wird. Es ist einfach um sechs Uhr morgens noch viel kühler.

Der Dorfchef (blaue Djellaba) und seine Entourage.

Es war ein schönes Bild und die Laune der Beteiligten sehr ausgelassen. Der Chef ist ein ruhiger, sehr freundlicher Mann und scheint auch im Dorf freundlich mit den Menschen umzugehen. Es bleibt trotzdem ein sehr fremdes System für mich. Vielleicht kommt es einem Gemeindepräsidenten am nächsten, einfach nicht gewählt, sondern hinein geboren. Einmal Chef, immer Chef. Der Chef leidet an Diabetes und hat beide Beine verloren. Deshalb sitzt er im Rollstuhl. Das ist sicher einer der Gründe warum er sich für eine bessere Gesundheitsversorgung einsetzt.

Zum Teil ist es schon entsetzlich hier. Omar erzählte von einem Mädchen, das am Strassenrand bewusstlos umfiel. Sie haben das Mädchen in Dänus Auto geladen und sind zum Centre vom Militär gefahren. Dort fanden sie ausser den Patienten niemand. Ärzte und Pflegefachleute waren beim militärischen Appell. Im nächsten Centre, das sie mit dem bewusstlosen Mädchen im Auto ansteuerten, war gerade Schichtwechsel und sie wurden gebeten zu warten, bis die neue Schicht eingetroffen ist. Erst im dritten Centre wurde ihnen sofort geholfen. Das Mädchen wurde gerettet. Dies ist nur eine von wahrscheinlich vielen Geschichten.

Auf dem Markt von Foumbot wurde alles Bisherige an Gewusel und Lärm zur Abwechslung noch einmal getoppt. Es ist einer der grössten Märkte in Kamerun. Die Lastwagen kommen aus den umliegenden Länder um in Foumbot Ware zu kaufen. Gemüse, Früchte, Reis, Mais und vieles mehr wird geladen und zum Beispiel nach Gabun gebracht. Sogar die Gemüsehändler arbeiten mit Lautsprecher und Endlosband. Madame, hier finden sie die besten Zwiebeln für nur 100CFA. Jetzt stellt euch mal hunderte von kleinen Ständen vor und jeder dritte arbeitet mit Lautsprecher. Kakophonie pur! Aber das ist noch nicht alles, die anderen Händlerinnen (die mit den Lautsprechern sind ausschliesslich Männer, warum wohl?) müssen sich auch bemerkbar machen. Jetzt denkt ihr vielleicht, das ist ja furchtbar. Aber wir sind noch nicht am Ende, denn da sind noch die oben erwähnten Lastwagen und natürlich unendlich viele Töffe. Kurz, ich bin nudle fertig. Aber ich werde den Markt wieder besuchen, es gibt Spaghettis zu kaufen.

Im ruhigeren Teil des Marktes. Ich traue mich noch nicht überall zu fotografieren.

Auf dem Rückweg haben Omar und ich Assana besucht. Sie ist die zweite Frau eines polygamen Mannes mit drei Frauen. Alle drei Frauen leben in einem eigenen kleinen Häusschen um einen gemeinsamen Hof. Es machte den Anschein, dass sich die drei Frauen nicht besonders mögen. Frau Nummer drei versuchte uns mit hasserfüllten Blicken zu töten. Das war nicht sehr angenehm, obwohl es wahrscheinlich gar nicht um uns ging, sondern die Anerkennung von Assana, Frau Nummer zwei. Furchtbar.

Nach so viel neu Erlebtem, noch etwas zu mir. Es geht mir besser. Gestern nach all meinen Aktivitäten zur Heimwehbekämpfung habe ich mich noch intensiv meinem Hebammenlehrbuch gewidmet und bis Mitternacht darin gelesen. Das war sehr hilfreich. Es ist nicht so, dass mein Heimweh einfach ausgestanden ist, aber es wird erträglicher. Dass ihr mir Kommentare und WhattsApps schickt hilft mir auch sehr. Und das Schreiben!

Heimweh

Ich hatte gar nicht gewusst, dass einen Heimweh so intensiv überfallen kann. Es hat. Die Tränen sitzen dauernd zuvorderst und die Frage, die hier den Alltag dominiert: „wie geht es?“ wird zur Tortur. Die einzige Möglichkeit dem zu entfliehen war Aktivität. Also habe ich geputzt und geputzt. Dazu habe ich laut Musik gehört. Zuerst Boney M., das war gut, dann die Filmmusik von Chat Noir, Chat Blanc, das hat die Tränen Kanäle geöffnet. Mit Spliff konnten die Tränen wieder trocknen.

Ich habe den Chef kennengelernt. Er ist sympathisch. Er war am Maiskörner für die Saat ablösen. Die obersten Körner liess er am Kolben, die seien zu leicht zum Sähen und würden vom Wind weggeblasen. Er erzählte mir, dass er immer drei Körner pflanzt. So können die Vögel ein Korn fressen. Der Präsident der Reis Kooperation kam noch vorbei und bot mir einen Rundgang durch die Kooperation an.

Der Präsident von der Reiskooperation zeigt mir seine Telefonnummer.

Und endlich hatte ich etwas Zeit im Centre. Es gibt noch viel zu tun und es wird gut sein, wenn ich endlich dort bin. Das Gebäude ist sehr schön, Beton, Stahl und Lehmsteine. Innen ist es in diskreten Farben gekalkt. Das Dach trägt zu hundert Prozent die Schrift von Dänu. Omar hat erzählt, dass immer wieder Leute von der Strasse runter kommen und fragen woher dieses Dach sei. Ich werde noch Fotos machen und euch zeigen. Heute hatte ich aber keine Zeit, beziehungsweise nicht daran gedacht. Ich bin nämlich mit dem Meter bewaffnet durch die Räume getiegert und habe versucht herauszufinden wie wir die vielen Sachen unterbringen können. Es wird eine Herausforderung, denn es ist ein kleines Centre und es sind viele grosse Möbel. Aber ich freue mich.

Zurück in Koutaba, war ich bei Zenabu, die für mich zwei Röcke genäht hat. Nun bin ich neu eingekleidet. Danach war ich noch etwa ein einhalb Stunden spazieren (ich hatte im Internet gelesen, dass Aktivität gut sei gegen Heimweh).

Impressionen

Das Spazieren war lustig. Das ist etwas was die Leute hier nicht kennen. Alle paar Meter wurde ich gefragt wo ich hingehe. Wenn ich dann sagte, dass ich es nicht wisse, dass ich einfach gehen möchte, mich bewegen, dann entschieden sie: „ah, du machst Sport“.

Internationaler Frauentag

Es gibt viele Möglichkeiten diesen Tag zu feiern. Ich war in meinem Praktikum. Ich war die einzige arbeitende Frau dort. Am heutigen Tag haben im Centre nur die Männer gearbeitet. Die Frauen waren am Frauenfest. Das hat mich beeindruckt. Wenn ich da an die Schweiz denke, weiss ich nicht, ob ein Spital, Heim oder sonst etwas in der Art das bieten könnte, möchte, würde. Alle Frauen sind freigestellt. Die Hebämmer, Pflegefachmänner, Pfleger und Ärzte übernehmen gemeinsam die Pflege der Patientinnen und Patienten.

Ausser einem Schock am Morgen, eine Frau wurde ohne Anästhesie genäht (O-Ton: Nach einer Geburt braucht es keine Anästhesie, weil das Nähen dann keine Schmerzen bereitet.), war der Tag ziemlich ereignislos und langweilig. Ich habe die Zeit genutzt um Notizen für unser Centre zu machen.

Heute war mein letzter Praktikumstag und ich bin gar nicht traurig darüber. Für meine Begriffe ist es zu trostlos, zu schmutzig und zu rechthaberisch herrisch. Die Patientinnen und Patienten haben keine Rechte, keinen eigenen Willen und keine Möglichkeit ihren eigenen Weg zu gehen.

Et voilà

Und dann hatte ich auch noch ein wenig Frauentag. In einer Kneipe habe ich mit vielen, vielen Frauen getanzt. Ausser den strengen Musliminnen, der Koran verbietet ihnen anscheinend alle Feste ausser dem Ramadan, haben möglicherweise alle Frauen mitgefeiert.

Ich hatte eine kurze, heftige Heimwehattacke. Ich bin jetzt seit einer Woche in Koutaba und es scheint schon ewig her, dass ich in Zürich ins Flugzeug gestiegen bin, dass ich an der Felsenaustrasse Chrigu einen Abschiedskuss gegeben habe, dass ich mit dem Tesla zum Bahnhof gerauscht bin und mich in Zürich von Anna und Astrid verabschiedet habe.

Ein schönes herzschmerz Bild, das hat mir Chrigu geschickt.

Ich freue mich auf nächste Woche. Dann kann ich endlich richtig aktiv werden und bin weniger nur Zuschauerin.

Viel Afrika

Es tönte wie aus einem amerikanischen Film mit Sklaven, der Gesang. Ich ging schlaftrunken auf den Balkon. Was ist passiert, es ist erst halb sieben am Morgen. Angeführt von einer Leadstimme, antworteten etwa fünfzig mit dem immer gleichen Refrain und joggten am Haus vorüber. Das war schräg! Also eigentlich waren es Rekruten aus dem Militärcamp vor dem Dorf. Aber es war schräg.

Aber wenn ihr jetzt denkt, das könne man nicht überbieten, dann liegt ihr ziemlich falsch. Also sehr falsch. Etwa eine Stunde vor Arbeitsschluss kamen etwa 10 Damen mit vielen schwarzen Plastiktaschen ins Centre. Es war ein angekündigter Besuch. Zusammen mit dem gesammten Personal und einem Fotgrafen schritten die Damen von Patientenzimmer zu Patientinnenzimmer und verschenkten die schwarzen Plastiksäcke (Inhalt: ein Pfund Salz, zwei Stück Seife und eine Flasche Wasser). Das ist doch lieb, werdet ihr jetzt denken. Ist es auch. Aber ich würde das ja nicht so langfädig einleiten wenn da nicht noch etwas käme. So ist es. Auf dieser Erde gibt es nichts um sonst. Auch die schwarzen Plastiktaschen kosteten. Mit viel Eifer, Gesang, Amens, mehrstimmig und ausgiebig trugen die Damen ein Gebet vor. Für die Patientinnen und Patienten in erträglichem Mass, ein Gebet für einen schwarzen Plastiksack, fürs Personal, das liebenswürdigerweise den netten Damen die schwarzen Plastiksäcke hinterher trug, etwas anstrengender, da es mehrere Zimmer gibt. Wenigstens trugen die Damen mit grosser Begeisterung in jedem Zimmer ein anderes, der Situation angepasstes Gebet vor. Immerhin. Und das Personal durfte die restlichen Plastiksäcke behalten, was auch die Muslime zu bekehren vermochte.

Zwischen diesen beiden Afrika Highlights habe ich noch gearbeitet. Heute war Schwangerschaftskontrolltag. Es war ein bisschen so, wie ich es kenne. Das war beruhigend. Ich konnte Bäuche abtasten, messen, impfen und mit dem Herztonrohr die kindlichen Herztöne hören. Und ich habe sie wieder gehört. Immer besser. Das war sehr schön.

Pinard Herztonrohr

Für die, die es noch nicht wissen, das Herztonrohr hat seine Länge nicht aus akkustischen Gründen, es ist einfach ein bisschen länger als Flöhe springen können. Zum Schutz der Hebamme.

Ich sitze im Dunkeln. Darum schreibe ich noch etwas weiter. Vielleicht kommt das Licht noch, vielleicht gehe ich halt dann früh ins Bett. In einem Komentar hat mich meine Mutter gefragt, ob ich auch sicher sei. Das hat mich beschäftigt. Das Gebiet der anglophonen Bevölkerung ist nicht weit von hier. Koutaba ist zum Teil zweisprachig. Es scheint hier aber sehr friedlich, man spürt nichts von Unruhen. Die Leute hier wissen jedoch vom Krieg etwa 50 Kilometer von hier und raten ab, dort hin zu gehen. Nicht nur mir, auch sich selber. Ich fühle mich hier sicher, kann mich bewegen, ohne Angst oder ein komisches Gefühl im Bauch. Die Menschen sind sehr freundlich und verhalten sich auch nicht rassistisch.

Noch etwas ganz anderes. Gestern war der grosse Markt, der findet jeden Mittwoch statt. Dort habe ich etwas gesehen, das ziemlich unverdaulich ist. An einem Stand, nur war es nicht ein Stand in der Höhe, sondern einer am Boden, was alles noch verschlimmerte, konnte man plattgedrückte, getrocknete Ratten kaufen. Was macht man damit?

Der Impftag

Mittwoch ist Impftag. Ich war überwältigt. Etwa 70 Frauen sind mit ihren Babys und Kinder gekommen. Es war … unbeschreiblich. Mütter, die selber noch wie Kinder aussahen, Mütter, die wie Grossmütter aussahen und Kinder, so viele Kinder. Eng an eng sassen sie auf den Bänken und warteten.

Hier sassen sie alle, etwa vier Stunden lang.

Die Frauen bekamen eine Kartonnummer, mit der mussten sie sich zum Impfen anmelden. Die Anmelderei dauerte ewig. Ich habe alle 70 Kinder gewogen. Eine Frau nach der anderen kam, dann musste sie sich wieder hinsetzen und warten. Es war recht ruhig.

Zwischendurch kam eine Frau und schulte die Mütter in Füdlihygiene, sie stellte Fragen und die Frauen gaben Antworten. Es war wie im Theater, oder in der Kirche, sie antworteten im Chor, laut und deutlich. Die Frau verkaufte dann eine spezielle Füdliseife.

Nach der Anmeldung begann die Impferei, danach war es nicht mehr ruhig. Da fing dann das Geschrei an. Vor allem die grösseren Kinder schrien wie am Spiess. Die geimpften Kinder durften dann mit ihren Müttern gehen, wir nicht.

Wenn ich bis jetzt am Abend auf den Markt ging, dachte ich, das Gewusel könne nicht mehr grösser werden. Falsch gedacht. Heute ist grosser Markt, das Gewusel kann noch viel grösser werden!

Für die, die schon einmal einen Gebärsaal von innen gesehen haben, hier noch ein paar Eindrücke:

Das Gebärbett von den Médcins du monde Suisse
Der Blick vom Gebärbett auf die Gummistiefel.
Das Wehenzimmer.

Zum Abschluss möchte ich mich noch für die Kommentare bedanken. Es freut mich! Ich hoffe, dass ich es auch weiterhin schaffe, regelmässig zu schreiben. Falls ich schlampig werde, dürft ihr gerne „stüpfen“.