Ausgeschlafen

Eigentlich könnte jetzt wieder eine Gebärende kommen. Ich bin wieder fit, habe gut geschlafen und bin bereit es mit Wehen, Gebärenden, Müttern und Schwiegermüttern aufzunehmen. Aber nach Mbambeluh 1 und Mbambeluh 2 ist es ruhig geworden und Malaria und Typhus regieren wieder.
Typhus könnte in den allermeisten Fällen mit einer angemessenen Hygiene verhindert werden. Mittlerweilen spreche ich dieses Thema nicht mehr mit höflichem Feingefühl an, sondern sage direkt was Sache ist. Ich weiss, dass die Menschen hier arm sind, ich weiss, dass es bei uns viel einfacher ist hygienisch zu leben, aber ich weiss auch, dass es hier möglich ist. Während bei den Bororos alles blitz blank ist, so sauber, dass man direkt vom Boden essen könnte, vergeht einem in einigen Quartieren von Ngoundoup und Koutaba sogar der Wunsch die Füsse auf den Boden zu setzen. Das heisst, direkt vor den Häusern ist es noch einigermassen sauber, aber hinter dem Haus konkurrieren Müll und Fäkalien um den Platz. Eine Latrine zu bauen lernt man bei uns in der Pfadi, im Militär und sicher auch im Überlebenscamp, und auch wenn man nie in Zweierkollone eine gebaut hat, es ist ganz einfach, auch die Müllentsorgung, es wird ein grosses Loch gegraben, der Müll kommt dort rein und wird verbrannt, sollte eigentlich machbar sein, jedes Quartier hat so ein Loch, aber der Müll findet den Weg dorthin nicht alleine. Warum die grossen Unterschiede? Eine mögliche Erklärung fand ich in der Rollenverteilung. Bei den Bororos sind die Frauen zuständig für Haus, Hof und Nachwuchs und die Männer für Vieh und Äcker. Bei den anderen Volksgruppen sind die Frauen zuständig für Haus, Hof, Nachwuchs, Äcker, Markt, Schulgeld, Arztkosten und die Männer fürs Kindermachen und Beten. Das war jetzt ein wenig gemein, aber es kommt der Realität nahe.

Ich stelle mir vor, dass Hygiene schnell zweitrangig wird, wenn du von sehr früh bis sehr spät schuftest um alle Aufgaben zu bewältigen. Wahrscheinlich ist die Art wie die Frauen unseren Sensibilisierungsanstrengungen lauschen eine Reaktion auf ihre Situation, nur nicht zugeben, dass ich diese Leier schon hundert Mal gehört habe, wenn ich so tue, als ob ich alles zum ersten Mal höre, kann mir niemand einen Vorwurf machen, weil erst jetzt kenne ich den Zusammenhang, ich kann also erst jetzt reagieren.
Mit den Frauen über ihre Situation und Überforderung zu diskutieren, hilft ihnen zwar, ihren Frust loszuwerden, aber verändert überhaupt nichts, sie glauben, dass ihre Situation unabänderlich ist, dass es schon immer so war, dass die Tradition in Stein gemeisselt ist. So bleibt mir Omar. Als Mann kann er Einfluss auf die Männer nehmen, ihnen klar machen, dass für eine angemessene Hygiene alle zuständig sind und somit alle mithelfen müssen. Omar ist zum Beispiel bei sich zu Hause zuständig fürs Wasser, insbesondere Trinkwasser, für die Latrine, für den Müll und fürs Händewaschen. Es ist immer schön wenn ich mit Omar diskutiere, er ist sehr offen und will dass sich ihre Situation zum Besseren wendet. Er kommt zwar auch ab und zu mit Tradition, aber er schafft es, zu unterscheiden zwischen Traditionen, die zum Kulturgut gehören und Traditionen, die man eigentlich von heute auf morgen aufgeben könnte.

Auch die Polygamie ist so ein leidiges Thema. Heute kam eine Frau mit Unterleibsschmerzen. Sie hatte eine zünftige Vaginalentzündung mit ziemlich allen bekannten und unbekannten Erregern. Um diese Entzündung zu behandeln, muss ihr Mann mitbehandelt werden. Zum Glück war ich so geistesgegenwärtig zu fragen ob ihr Mann monogam ist, ist er nicht, das heisst, auch die zweite Frau muss behandelt werden. Ich finde die Polygamie per se zum Kotzen, aber heute gesellte sich eine neue, gruslige Erkenntnis dazu. Für die Frauen hier, ist das Alltag, erst mit vier Frauen ist ein Mann ein Mann. Und schon haben fünf Chlamidien, Syphilis, Gonorrhö und Kompanie.

Und es hat geschifft heute, so richtig! Eine Zeit in der keine Patientinnen, keine Patienten kamen, eine Zeit in der wir alle zusammengerutscht sind, da es arschkalt wurde, eine Zeit in der wir nicht reingehen konnten, da wir drinnen giftige Spinnen vergiften mussten, eine Zeit in der zwei Frauen arabische Gebete geübt haben, eine Zeit die vorüber ging.

Nationalfeiertag

Heute ist der Tag der Einheit und Vielfalt, der Nationalfeiertag, der 20. Mai 1972 wird gefeiert, der Tag an dem aus Kamerun die vereinigte Republik Kamerun wurde, in der jetzigen Situation ein Hohn. Natürlich wurde ich gefragt, ob ich die Defilés und Paraden sehen will, der Unterschied zwischen Defilé und Parade konnte mir Doktor Google leider nicht erklären, weshalb ich nicht weiss, ob ich nun einem oder mehreren Anlässen beiwohnen sollte, ich kann es auch nicht aus Erfahrung berichten, da ich überhaupt keine Lust verspürte, diesen Tag in irgend einer Weise zu feiern. Zum Einen machte ich mit der Odyssee um die Eröffnung von Mbambeluh keine Erfahrungen mit dem kamerunischen Staat, die ich feiern möchte, zum Anderen, welche Einheit soll gefeiert werden? Ich sehe nur eine Einheit im Staate Kamerun, die Korruption, ob die gefeiert werden soll? Wenn es so ist, zwar etwas geschmacklos, aber wenigstens ehrlich. Aber es wird wohl nicht um die einheitliche Korruption gehen, es ist das Wir-Gefühl, das Wir-Gefühl, das schon im kleinen Dorf abhanden kommt, wenn Wir nicht alle vom gleichen Stammbaum abstammen, das Wir-Gefühl, das die anglophone Bevölkerung schon länger nicht mehr spürt. Und so nehme ich am Tag der Einheit nicht teil, auch nicht als Gafferin, Touristin, schaue nicht die Frauen in den Paul Biya Röcken an, wie kann man nur, aber anscheinend wurden diese Röcke anlässlich des Wahlkampfes von La Force de l’Expériance an die Frauen verschenkt, helfe nicht mit beim kollektiven Selbstmord auf den hupenden Motorrädern. Dafür habe ich viel über die heutige Feier gelesen, finde mich auf der Seite der Opposition, die in Yaoundé die Défiles und Paraden boykottiert, weiss immer mehr über die Baustellen des Landes und sehe immer weniger einen Ausweg. Und Frau normala, Herr normalo, sie sind die Opfer, müssen hier eine Motivation abliefern, dort einen Luftpostumschlag in die Dokumente legen, hier stundenlang warten, dort nach stundenlangem Warten unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. In Douala sind die Märkte leer gekauft, es gibt nur noch Reis und Mais, auf den Äckern im anglophonen Gebiet vergammelt die Ernte, die Bauern sind geflüchtet. Es gibt wirklich keinen Grund zum feiern, auch wenn Monsieur Biya zur Rettung der Feier, sich vorgestern bereit erklärt hat zu verhandeln, über Alles, ausser einem Austritt aus der ach so schönen Einheit. Etwas spät.

Den beiden Babys, Mbambeluh 1 und Mbambeluh 2, sie haben beide noch keinen Namen, das sei Sache der Väter, sagten die Frauen, das stimme nicht, im Koran stehe, dass sich Mutter und Vater einigen müssten, sagte Omar, interessieren sich noch nicht für die Politik des Landes, sie wollen eine Brustwarze und Geborgenheit. Es war schön, heute Morgen ins Centre zu kommen und die zwei Frauen mit ihren Neugeborenen im Spitalzimmer anzutreffen, statt kranken Kindern, die elend, fiebrig und apathisch auf den Betten liegen, zwei muntere Neugeborene, eingepackt wie Inuitkinder, von ihren Müttern mit dem ungläubigen, suchenden, fragenden, liebenden Blick gemustert, den Frauen nur nach der Geburt haben. Was mich bei den Geburten sehr beeindruckt hatte, es ist einfach, es gehört zum Leben, Rhythmus, es ist nicht so, dass das Gebären hier weniger schmerzhaft ist, dass es schneller geht, aber vielleicht ist es weniger ein Event, etwas, das gestaltet sein muss, kein Projekt. Die Frauen kommen und gebären, sie haben keine Wünsche, wissen nicht, dass Frauen bei uns mit einer Periduralanästhesie gebären, dass man Schmerzmittel haben könnte. Die Art, wie ich die Frauen begleitet hatte, dass ich die ganze Nacht bei ihnen geblieben war, dass ich mit ihnen geatmet hatte, ihnen den Rücken, die Beine massiert hatte, sie nicht alleine liess, war anscheinend gestern und heute Gesprächstoff im Dorf, positiver Gesprächstoff.

Die letzten 36 Stunden

Die letzten 36 Stunden war ich auf den Beinen. Zuerst, regulär, dann immer weniger regulär und jetzt nur noch bis das hier geschrieben ist und mein Bier getrunken ist. Zuerst wartest du wochenlang auf die Geburten, deshalb bist du ja eigentlich hier, das war deine Motivation, hier nach Koutaba zu reisen, Bern, Chrigu, Frida und den Rest meiner Familie und Lieben für drei Monate zu verlassen, und dann kommen gleich zwei Frauen miteinander. Gut, geboren haben sie dann nicht gleichzeitig, es lagen sehr knappe dreizehn Stunden dazwischen.

Gerufen wurde ich gestern, kurz nachdem ich zu Hause angekommen war, ich machte gerade Modeschau mit den neuen Kleidern, die Zenabou für mich genäht hatte, weil die Frau, die schlussendlich heute am Abend um 18:14 geboren hat, eingetreten ist. Obwohl es noch einige Zeit dauern würde bis das Kind auf die Welt kommt, nahmen wir sie ins Gebärzimmer. Das hiess dann, dass wir sie ein paar Stunden später ins Krankenzimmer zügeln mussten, da eine zweite Frau gekommen war, eine so genannte Drittgebärende und es ziemlich klar war, dass diese das Gebärzimmer vorher braucht. Mit zwei Frauen, die Wehen hatten, einer Ladung weiteren Frauen, die zur „Unterstützung“, was nichts anderes als ein Ferienaufenthalt im Centre bedeutet, mitgekommen waren und teils laut schnarchten, war es für mich nicht möglich, mich aufs Ohr zu hauen, was Ajara zum Beispiel problemlos konnte und der Gardien noch viel problemloser. Unser Wächter schläft derart tief, dass ihn wahrscheinlich auch Banditen mit einer Bombe nicht aufwecken könnten, wobei es für ihn sicherer ist, nicht auf zu wachen, weil er sowieso schon nach einer Sekunde umgehauen auf dem Boden liegen würde. Aber zurück zu mir und den beiden kreissenden Frauen, ich schlug mir die Nacht mit einer Pilgerreise von der einen Frau zur anderen und zurück zur einen, um die Ohren.

Mbambeluh 1!

Die Drittgebärende nahm sich ihrer Aufgabe mit einer gewissen Routine an, zwischen den Wehen haben wir viel gelacht und sie war sehr zuversichtlich. Die Geburt war eine schöne, perfekte Wiedereinsteigerinnen Geburt. Danke! Alles blieb ganz, die Mutter, das Kind, ein Junge und der Damm. Das war sehr gut, denn die zweite Geburt war eine Herausforderung. Es war das erste Kind der Frau und der Kopf des Kindes stellte sich nach den Regeln der Beckenanatomie völlig falsch ein. Nach hunderten Umlagerungen, aufstehen, abliegen, rechts, links, Vierfüssler, ich wollte einen Kaiserschnitt verhindern, nach vielen Zweifeln an meiner Kompetenz und vor allem an meinem Urvertrauen, nach schwindenden Kräften, sowohl die der Frau, wie auch meine, nach vielen Beteuerungen, dass ich genau weiss was ich tue, nach all dem, gebärte die Frau heute Abend um 18:14 ein fittes, gesundes Mädchen. Uff!

Mbambeluh 2!

Und ich habe etwas Neues gelernt! Trinkt die Frau kaltes Wasser, dann dauert die Geburt, trinkt sie jedoch heisses Wasser, dann beschleunigt das die Geburt. Das mit dem kalten Wasser, haben wir nicht ausprobiert, aber das mit dem heissen Wasser, es funktioniert! Keine Ahnung, was funktioniert, warum das funktioniert, aber nach dem Genuss von heissem Wasser, ging es wieder vorwärts. Simpel, cool!

Vom Bier bleiben noch eineinhalb Zentimeter, zum Schreiben gäbe es noch vieles, aber die Konzentration… die eineinhalb Zentimeter sind jetzt auch weg. Und Tschüss… es sind jetzt schon 37 Stunden.

Dreimonatsspritze

Eine Frau kam mit Schnupfen, Kopfschmerzen, Husten, als sie wieder ging hatte sie zum Glück keine Malaria, war Schwanger und ihre Tochter hatte einen Praktikumsplatz und ich die grösste Lust hier in Koutaba Tayindi einen Krankenpfleger zusammen zu schlagen. Das war die Kurzversion. Vor zwei Monaten bekam die Frau von einem Krankenpfleger, der in einem Centre arbeitet und nebenbei privat noch etwas dazu verdient, die Dreimonatsspritze verabreicht, so dachte sie jedenfalls. Sie hat schon sechs Kinder und findet, dass es reicht. Die Dreimonatsspritze darf nicht Schwangeren gespritzt werden, da das Ungeborene sonst ein erhöhtes Risiko für Chromosomendeffekte, mehr Finger oder Zehen als normal und missgebildete Geschlechtsorgane hat. Deshalb spritzt man entweder am Anfang der Menstruation oder, wenn nicht möglich, nach einem negativen Schwangerschaftstest. Der Herr hat weder noch. Irgendwie traute die Frau der Sache in den letzten Tagen nicht mehr und machte einen Schwangerschaftstest, positiv, zwei Tage später noch einen, negativ. Das erzählte sie uns, worauf wir ebenfalls einen Test machten, positiv, ich klärte sie über die Risiken auf, sie war sich aber nicht mehr sicher, ob der Arsch wirklich die Dreimonatsspritze verabreichte, oder ihr einfach irgend etwas gespritzt hatte. Also die Ampulen holen und zeigen, nein, so hat die nicht ausgesehen. Nach ihrer Beschreibung kam Ramatou zum Schluss, der hat ein Antirheumatikum gespritzt. Das ist einfach nur abgrundtief hinterhältig und böse!

Wenn ich die Geschichte schreibe, merke ich, dass mir eigentlich die Worte fehlen, es ist eine Geschichte, die darf gar nicht sein, die kann nicht sein, die Dreimonatsspritze kostet ungefähr siebzig Rappen, plus noch eine Spritze, also wegen dem Geld wird der Typ das nicht gemacht haben, aber warum dann? Ein fundamentalistischer Verhütungsgegner? Einer der einfach eine Spritze verkaufen wollte, egal was?

Die Tochter der Frau wird nächste Woche bei uns als Praktikantin anfangen, sie hat letzten Sommer ihre Grundausbildung abgeschlossen. Die junge Frau, siebzehn Jahre alt, kam sich zusammen mit ihrem Ehemann vorstellen. Sie sah nicht gut aus, ihre Augen waren blutunterlaufen, sie hatte Narben im Gesicht. Mein erster Gedanke war eine misslungene Schönheitsoperation, aber es ist viel schrecklicher. Die junge Frau, Bijou, wurde vor zwei Wochen, als ihr Mann auf der Arbeit war (er ist Buschauffeur), bei sich zu Hause von einer Bande überfallen. Sie wollten sie vergewaltigen, Bijou hat sich gewehrt und geschrien und wurde zum Glück gehört, Nachbarn kamen ihr zu Hilfe und die Bande floh. Ihr Gesicht war dick aufgeschwollen, die Männer haben ihr derart ins Gesicht geschlagen. Bijou und ihr Mann wohnen jetzt bei seinen Eltern, damit sie nicht alleine ist, wenn er arbeiten geht. Es ist sehr sehr schlimm. Ein Überfall und eine versuchte Vergewaltigung ist sehr sehr schlimm, das in deinen eigenen vier Wänden, dort wo du dich eigentlich geborgen und sicher fühlen solltest, macht es noch viel viel schlimmer, jedenfalls für mich. Seit dem Überfall auf Bijou haben sich die Männer in den Quartieren organisiert und patroullieren in der Nacht. Seither ist es ruhig. Aber Bijou ist nicht die Erste, die Opfer dieser Gewalt wurde. Anscheinend macht die Bande das mit System und holt oft aus den umliegenden Dörfern Verstärkung.

Es ist keine schöne Welt in der die Menschen sich hier bewegen müssen. Ich bin froh über meine Eisentüren mit Riegel und die stabil vergitterten Fenster, da kommt nur einer mit Bombe rein.

Dabei hatte der Tag gut angefangen. Der Pflegefachmann und der Arzt vom Militärspital kamen mich besuchen, mit dem Angebot uns jederzeit zu unterstützen. Der Arzt hat mir die Leitlinien des Gesundheitsministeriums zur Behandlung der Malaria mitgebracht. Er sagte auch, falls wir einen Patienten, eine Patientin nicht transportieren können, komme er zu uns, Tag und Nacht. Das ist sehr beruhigend! Dann kam ein Mann mit Typhus und Malaria, der hatte in Eigenregie schon so viele Medikamente ausprobiert, dass er bei einer allfälligen Entsorgung als Sondermüll gilt. Uns blieben kaum Medikamente, die noch helfen könnten. Er hat sich selber Spritzen gemacht und einfach alles quer durch den Chemiegarten ausprobiert. Irgendwie ist das hier ein Volk von Drögelern, und das Schlimme ist, ihre Drogen fahren nicht einmal ein, kein Flash, keine bunten Blumen, Regenbogen, Lachanfälle, nichts, nur Resistenzen.

Flaute

Genau, Flaute. Eine Frau kam um ihre gestrige Behandlung zu bezahlen, das wars. Die Schwangeren verhalten sich ruhig und die anderen kranken wahrscheinlich lieber zu Hause herum, statt durch den dichten Regen in ein Gesundheitszentrum zu waten. Ganz am Anfang, als ich angekommen war, erzählte mir Omar, dass es hier drei Jahreszeiten gibt, die Trockenzeit, die kleine Regenzeit und die grosse Regenzeit. Im Moment ist zwar noch die Saison der kleinen Regenzeit, aber die Grosse steht bereit und funkt schon dazwischen, es regnet immer häufiger und der Boden verwandelt sich mit jedem Tag etwas mehr in eine rutschige, matschige, glungige, rote Sauce. Der Gang zum Markt wird, wie schon einmal beschrieben, zum Eiertanz, mit dem kleinen Unterschied, dass die FlipFlops auf den Eiern kein Vakuum produzieren, aber das ist auch der einzige Unterschied, das Gefühl zwischen den Zehen, wenn du die trockenen Stellen nicht siehst, entspricht exakt dem Gefühl zwischen den Zehen, bei einem misslungenen Eiertanz. Eigentlich würde ich dann am liebsten barfuss laufen, aber alle tragen etwas an den Füssen, die ganz Kleveren Gummistiefel, den Vakuumeffekt habe ich jedoch noch bei niemandem sonst beobachtet, es liegt also entweder an mir oder an meinen hochwertigen Havaianas (das war ein Versuch, vielleicht nach meiner Rückkehr als Influencerin mein Geld zu verdienen).

So sieht Flaute aus.

Der Regen ist neben Todesfällen, Hochzeiten, Familientreffen, Dorfsitzungen und Gebeten ein weiterer Grund, jegliche produktiven Aktivitäten einzustellen. Omar, der es schon fast zu schweizerischer Pünktlichkeit gebracht hat, kommt erst wenn es nicht mehr regnet, eine Verspätung wegen Regen, ist keine Verspätung, es ist eben Inshallah und in dem Moment hat er nicht gewollt. Ich habe ausser mir, auch noch niemanden mit einer Regenjacke gesehen, dicke Daunenjacken, ja, Wollmützen, Schals, aber Regenzeugs, das existiert hier nicht. Die Regenschirme schützen vor der Sonne, bei Regen werden sie selten bis nie eingesetzt.

Ich schreibe hier vom hohen Ross herab, wenn ich nämlich ehrlich bin, habe ich auch keine Lust durch den Regen zu waten, Regenjacke hin oder her, es ist einfach zu viel, zu viel Wasser von oben, zu viel Wasser unten, zu rutschig, zu schmutzig, zu nass, überall Bäche, die den gesamten Müll der Stadt mitführen, eklig. Der Aufwand ist in fast allen Belangen des täglichen Lebens massiv höher als wir es kennen. Das führt dazu, dass für die Arbeit nicht mehr viel Zeit übrig bleibt.

Wenn ein Familienmitglied erkrankt und der Gang in ein Gesundheitszentrum unumgänglich ist, ist das ebenfalls ein Grund, die Arbeit niederzulegen und den Kranken oder die Kranke zu begleiten. Da kommen alle mit, von der Grossmutter, zum Grossvater, über Tanten, Schwestern, Eltern, Brüder, zu Freundinnen und Freunden, Nachbarn und ehemaligen Nachbarn, oder solchen die vielleicht einmal etwas von all dem werden möchten. Da spielt es keine Rolle ob es sich um einen Schnupfen handelt oder um eine lebensbedrohende Situation, es ist ein Moment in dem schwerverdientes Geld ausgegeben wird, da wollen alle etwas davon haben. Und egal wie fest ich staune, ich bleibe die Einzige, es ist normal, man lässt die Kranken nicht alleine, schliesslich ist hier nie jemand alleine, so staune ich über den Wunsch nie alleine zu sein und sie staunen über meinen Wunsch ab und zu alleine zu sein.

Bügle

Ich habe keine Fotos gemacht, ich habe nichts spektakuläres erlebt, ich habe einfach gearbeitet, habe die Medikamentenlieferung von gestern in eine Liste verwandelt, versucht Assana zu erklären wie sie mit der Liste arbeiten kann, auf zehn verschiedene Arten, wahrscheinlich erfolglos, habe Ajara die Arbeit mit der Liste erklärt, auf eine Art, wahrscheinlich erfolgreich, habe Assana, der Hebamme, erklärt was Depo Provera ist (für alle die nicht Hebamme sind, das ist die Dreimonatsspritze), ein Verhütungsmittel, das hier in jedem Gesundheitszentrum auf Familienplanungspostern beworben wird, habe den Jungs den Fussball gegeben, die Medikamente eingeräumt, habe rumgequatscht, war bei einer Frau, die mit Chräueli, Schuhe, Mützen, Schmuck, Etuis und noch mehr macht, war auf dem Markt, aber etwas zu spät, habe auf Omar gewartet, der zum, gefühlt tausensten Mal das Auto flicken liess, habe Spaghetti gekocht, das Echo der Zeit gehört und gegessen.

Ja, das Echo der Zeit. Gestern hat Chrigu mir von einem Beitrag zu Kamerun berichtet, ich ging schauen ob ich ihn hören kann, und siehe da, ich konnte. So habe ich heute Abend, den Postcast von der Sendung von heute angehört und es fühlte sich ein wenig an wie zu Hause. Kurz vergass ich, wo ich bin. Als ich heute vom Markt zurück nach Hause gelaufen bin, versuchte ich mir auf einmal vorzustellen, wie ich mich in Bern bewege, es war sehr weit weg, einfach durch die Stadt laufen, ohne dauernd den Boden und die Umgebung von vorne und von hinten, von beiden Seiten, wenigstens nicht von oben, zu beobachten, ohne dauernd auszuweichen, erschrecken von den vielen Hupen, einfach rumschlendern, ohne dass jemand etwas von dir will, ich kann es mir gar nicht vorstellen, vielleicht komme ich zurück und erleide einen Kulturschock.

Ich habe doch noch eine Foto gemacht.

Der Schafmutter und ihrem Lamm geht es gut hat Omar mir erzählt. Er geht zwischendurch immer wieder nach Hause um zu schauen. Heute will er sie waschen und dann, wenn sie sauber ist, will er versuchen sie zu melken. Ich habe ihm gestern Youtube Filmchen übers Schafe melken geschickt. Mal schauen was dabei herauskommt, im wahrsten Sinne. Die Kinder rennen schneller denn je von der Schule nach Hause um mit den Schafen zu spielen.

Viehmarkt

Am Morgen besuchten wir zuerst die Frau, die ich gesetern ins Militärspital gebracht hatte. Es ging ihr viel besser! Ich bin sehr froh und erleichtert. Dann schauten wir kurz im Centre vorbei um zu sagen, dass ich heute, ausser für Geburten, nicht dort bin. Heute war nämlich Viehmarkt und ich wollte mein Versprechen einlösen. Wie ihr euch vielleicht erinnert, habe ich Omar eine Ziege versprochen. Ich war sehr aufgeregt, ich habe noch nie ein Tier auf einem Viehmarkt gekauft und schon gar nicht auf einem Viehmarkt in Afrika. Auf dem Weg dorthin standen zwei Männer am Strassenrand und machten Autostopp, Omar wollte weiter fahren, aber es waren Bororomänner und ich war sicher, die wollen auf den Viehmarkt. Das war sehr gut, weil die haben uns dann auf dem Viehmarkt beraten und begleitet. Und durch sie entstand auch eine kleine Planänderung, keine Ziege, ein Milchschaf, die geben mehr Milch.

Massenhaft Böhs standen herum, rannten herum, Böhmunis benahmen sich wie die Toros in der Arena und ich packte ab und zu Omar um mich hinter ihm zu verstecken. Ausser mir war niemand vom Gebaren der Stiere beeindruckt, nur ich machte einen grossen Satz, wenn einer gerannt kam, der Rest der Menschen, fast aussschliesslich Bororos, blieb gelassen. Nach dem Marsch durch die Böhmassen, wurden am Rand die Ziegen und Schafherden sichtbar und in einiger Entfernung hatte es noch eine Herde Esel. Die Esel kommen aus dem Norden, Omar glaubt, dass die Esel nicht gerne bei ihnen leben, weil ihnen die Regenzeit zu lang sei und sie dieses Klima nicht gern hätten. Also ich weiss nicht…

Und schon traf ich Bekannte, meine Hausbesuche bei den Bororos machten sich bezahlt, ich war keine Fremde, man kannte mich, das war cool. Dann ging es ans Aussuchen eines Schafes, die Hirten packten eines nach dem anderen an einem Hinterbein und schleiften es zu uns. Preise wurden genannt. Und da, schau Omar, die hat ein Junges, was kosten die Beiden? Omar fand am Gedanken eine Schäfin mit Lamm zu besitzen auch Gefallen, also verhandeln, fünfundreissigtausend, das ist zuviel, fünfundzwanzig, zu wenig, wir einigten uns auf achtundzwanzigtausend (keine sechzig Franken) und kauften statt einer Ziege, eine Schäfin mit Lamm. Nun brauchten wir noch einen Strick und Wurmtabletten, der Viehmarkt ist der grosse Auftritt für den Veterinär, er wollte uns noch Spritzen andrehen, aber ihr kennt ja unsere Philosophie, da machen wir weder bei Menschen, noch bei Schafen oder Ziegen eine Ausnahme und die Bororos waren auch der Meinung, dass eine Wurmkur mit Tabletten völlig ausreicht.

Im hinteren Teil des Marktes, dort wo der Veterinär ist, werden noch Stoffe und Kleider verkauft. Wahrscheinlich bringen die Hirten, nach erfolgreichem Verkauf, ihren Frauen ein Geschenk mit, denn ausser den Verkäuferinnen waren keine Frauen auf dem Markt anzutreffen, das ist anscheinend eine reine Männerangelegenheit. Und schon hiess es, zusammen mit der Schäfin und dem Lamm und einigen Bororos durch die Böhherden zurück zum Auto, der Schafmutter wurden die Beine zusammengebunden und ab in den Kofferraum, neben das Reserverad und das Lamm dazu und der Kofferraumdeckel zu. Wenn es unterwegs rumpelte, rumpelten auch die Schafe, aber ansonsten waren sie sehr ruhig.

In Ngoundoup mussten die beiden Schafe über die Strasse, für die Mutter mit dem Strick, war Omar zuständig, das Lamm klemmte ich unter den Arm und das hat gejammert und zetter mordio geschrien, es ging mir durch Mark und Bein und ich war froh als wir drüben waren und ich das arme Ding wieder zu seiner Mutter auf dem Boden stellen konnte und das Lamm hat seine Schreierei sofort eingestellt und wahrscheinlich auch sofort vergessen. Heute habe ich vielleicht zum ersten Mal in einem Lamm mehr als nur Gigot und Lammkoteletten gesehen und beim nächsten Mal, wenn ich Lamm esse werde ich ein bisschen trauern um das Tier, das so herzerweichend schreien kann.

Als Omar die Schafmutter durchs Quartier zog, kamen alle Kinder herbeigelaufen, es war ein grosses Ereignis, Omars Frau kam und gemeinsam holten er und sie Kraut von Patates, weil das lieben Schafe und Omar zeigte mir wo die Beiden schlafen werden, in der alten Küche und ich erklärte ihm, wie man Heu macht und es war einfach wunderschön! Am liebsten ginge ich nächsten Dienstag einen Esel kaufen und übernächsten ein Böh, so langsam immer etwas grösser.

Behandlungen aus dem Bauch

Eine Frau, in der sechsunddreissigsten Schwangerschaftswoche mit Malaria kam gestern Abend für eine Konsultation. Die Nacht-Pflegehilfe verschrieb ihr ein Chininpräparat. Heute früh kam sie wieder, es ging ihr nicht besser, es ging schlechter. Ich weiss wenig über Malaria und Schwangerschaft, ein Problem, das wir in der Schweiz zum Glück nicht haben, also bin ich angewiesen auf die Erfahrung der Hiesigen, die zeit ihres Berufslebens mit dieser Krankheit konfrontiert sind. So ist es klar, dass ich die Leiterin des Centres frage, ob die Behandlung, die die Pflegehilfe am Vorabend angefangen hatte, der Praxis entspricht. Sie bejahte, vehement. Am Morgen nahm die schwangere Frau ihre zweite Dosis der Medikation, aber es besserte nicht, sie hatte zusätzlich zu den Malariasymptomen auch noch Wehen. Ich fragte wieder, ob das die Therapie der Wahl sei, ja und nein, vielleicht wäre ein anderes Mittel besser gewesen, aber man könne jetzt nicht das andere Mittel… fünfzehn Minuten später, das andere Mittel könnte man trotzdem… wieder etwas später, sie hätte nie das Chinin gegeben, das sei ein grosser Fehler von der Pflegehilfe, das sei richtig dumm,- warum hast du am Morgen nichts gesagt, du bist die Verantwortliche für die medizinischen Entscheidungen, ich habe dich extra noch gefragt – die Pflegehilfe hat die Verordnung gemacht, ich habe sie nur ausgeführt – du bist nicht angestellt um die Verordnungen der Pflegehilfen auszuführen, verdammte Scheisse, du bist hier um deren Fehler zu verhindern oder dann zumindest zu korrigieren – ich habe dann gegoogelt, die Packungsbeilage des Medikamentes, die Dosierung war extrem viel zu tief. Inzwischen war das Kind gestresst und sein Herz schlug viel zu schnell. Wir haben die Frau ins Militärspital verlegt, ich habe sie begleitet und es war sehr peinlich, dem Pflegefachmann dort, Samuel, unsere stümperhafte Behandlung zu rapportieren. Ausserdem hatte das Paar natürlich kein Geld, so dass ich auch noch für die Behandlung aufkommen musste, aber irgendwie war das Ehrensache.

Ich war so wütend und gleichzeitig auch wütend auf mich, ich hatte eigentlich gewusst, dass sie keine Ahnung hat, warum vertraue ich ihr noch? Es ist noch einmal gut ausgegangen, aber wir brauchen eine neue Ordnung im Centre, Madame Assana kann man für diese Verantwortung nicht brauchen. Ich überlegte mir, wie es möglich ist, mit diesem Hintergrund, im Regionalspital über viele Jahre als Hebamme zu bestehen, bis mir ein Licht aufging, Regionalspital, das grösste für vier Departemente, Ärzte und Ärztinnen während vierundzwanzig Stunden, dort führen die Hebammen nur aus, dort verordnen, dort verschreiben sie nichts, darum weiss sie nichts. Eine Konsequenz wird ein neues Papier sein, wie behandle ich die Malaria bei einer schwangeren Frau. Ich lerne sehr viel! Nach diesen wenigen Wochen, werde ich mich mit Malaria und Typhus auskennen, und schon jetzt, weiss ich oft mehr als die Spezialistinnen hier. Somit sind wir wieder beim Thema Ausbildung angelangt. Hier muss die Entwicklungshilfe ansetzen! Ich bin mir sicher, dass eine gute, fundierte Ausbildung Einfluss auf das gesammte Gesundheitssystem hätte, denn wer kompetent ist in seinem Beruf, der beziehungsweise die bringt den Berufsstolz mit in ihren Arbeitsalltag und gibt sich nicht mit stümperhafter Arbeit zufrieden.

Zum Abschluss noch die Geschichte, wie ging es weiter mit unserem dicken Freund, dem Chef du District de la Santé in Foumban. Omar war heute wieder einmal dort und legte ihm das Dossier auf seinen Schreibtisch. Der, ach so liebe, kompetente, in keiner Form korrupte, Chef de District de la Santé nahm das Dossier und blätterte es gemächlich durch, kontrollierte jedes Dokument und hielt Ausschau nach einem Couvert und zwar nach einem besonderen Couvert, einem Luftpostumschlag, denn die signalisieren eine grosse Motivation, aber, dumm gelaufen, da war kein Luftpostumschlag, tja, dann halt wieder die alte Leier, das CSI steht zu nahe. Die Geschichte beschwor bei mir die Erinnerung an ein Spiel herauf, Kuhhandel, bei einigen von euch sicher bekannt, für die anderen kurz, es geht darum Tiere zu kaufen und zwar ein Quartett von jeder Sorte, um sich gegenseitig die Tiere abzukaufen geht man einen Kuhhandel ein, das heisst, man bezahlt bedeckt, ein Stapel Geld, ohne dass der mutmassliche Verkäufer, beziehungsweise mutmassliche Käufer weiss wie viel im Stapel ist. So ist es bei diesen Couverts, die nimmt man, ohne zu wissen wieviel drinn ist. Also warum eigentlich nicht einen schönen Luftpostumschlag gefüllt mit dummen Sprüchen, weissem Papier, Fotos von korrupten Politikern ins Dossier legen? Hinterher kann er sich nämlich nicht beschweren, weil sonst muss er zugeben, dass er korrupt ist und seine Unterschrift auf der Eingangsquittung bei der nächsthöheren Instanz wieder zurück fordern. Gut, er könnte sagen, er habe k.o. Tropfen bekommen. Aber so ein Gruss wie „liebe Grüsse von der Antikorruptionsbehörde“ in seinem Umschlag wäre schon schön.

Muskelkater

War das eine Nacht! Die Ameisen haben meine Ohren effizient malträtiert, jedes Mal wenn ich mich auf die Seite drehte und das mache ich eigentlich immer, ich bin nämlich eine Seitenschläferin und keine Rückenschläferin, wachte ich wieder auf, weil meine Ohren schmerzten und ich legte mich wieder auf den Rücken und konnte fast nicht einschlafen, bis es endlich gelang und ich mich wahrscheinlich, jedenfalls gefühlt,schon nach einer Sekunde wieder auf die Seite drehte und die Ohren, naja, und so weiter. So ging das bis in die extrem frühen Morgenstunden, dann kam ich auf die Idee, auf mein Kopfkissen zu verzichten und siehe da, die Ohren berührten den Untergrund nicht mehr und ich konnte endlich schlafen. Nicht lange. Beim Aufstehen dann die zweite Quittung meines gestrigen Ausflugs, Muskelkater, wie ich ihn schon ewig nicht mehr gehabt hatte, nicht einmal als wir von der Alp Morgeten nach Weissenburg hinabgestiegen sind und Chrigu danach kaum noch gehen konnte, nein, nicht einmal da musste ich derart leiden.

Um den Kater zu behandeln, beschloss ich vom Centre nach Koutaba zurück zu Fuss zurück zu gehen, sechseinhalb Kilometer. Es war ein sehr schöner Spaziergang, sehr ruhig, durch eine Landschaft in Grün, so viel, so prall, um darin zu Ertrinken, keine Ameisen, die mich attackierten, keine Pfützen über die ich hüpfen musste, kleinere Wege, grössere Wege, hohes Gras, keine Herausforderungen. So konnte ich meine Gedanken laufen lassen und alle Eindrücke einsaugen. Meine Gedanken landen immer wieder bei der bevorstehenden ersten Geburt im Centre, werde ich es schaffen, die erwarten alle Grosses von mir, sie wollen alle dabei sein, was ist wenn ich versage, wenn die Geburt anders verläuft als sie sich das vorstellen? Es sind wieder Schwangere gekommen um das Gebärzimmer anzuschauen, aber immer noch keine Frau mit Geburtswehen. Am Freitag vor unserer Eröffnung haben im Quartier drei Frauen geboren, sie konnten nicht warten. Vor den Gebärenden habe ich kein mulmiges Gefühl, sogar wenn ich auf einmal hektisch würde, bin ich sicher, dass das Geburtserlebnis für sie immer noch besser sein wird als in den anderen Centres.

Unsere Praktikantin, Fatimatou.

Das Centre läuft, es gibt fast immer etwas zu tun. Zwar werden wir noch nicht überrannt von Kundinnen und Kunden, aber sie tröpfeln stetig. Um nicht zu provozieren, haben wir die grosse Affiche über der Schaukel noch nicht entblösst (das heisst, sie ist verhüllt), von da her sind wir noch ein Geheimtipp, aber dafür läuft schon recht viel. Die Art wie wir arbeiten, kommt bei den Leuten gut an, sie schätzen es, dass wir uns Zeit für sie nehmen und sie pflegen und nicht nur behandeln. Das ist hier extrem nicht üblich. Für die Pflege ist die Familie zuständig und zwar gibt es fixe Zeiten, zu denen sie ihre Kranken pflegen dürfen, sollen.

Noch ein kurzer Exkurs zu meiner Maus. Das elende Vieh lässt nicht locker, jedesmal, wenn wir denken, dass alle Ritzen verschlossen sind, findet sie eine neue Ritze. Die Türe zwischen der Küche und dem Wohnzimmer habe ich mit einem zusammengerollten Teppich abgedichtet, diesen Teppich verarbeitet sie zu Nestmaterial und baut mit unendlicher Geduld hinten im Gefrierschrank ein Nest, das Omar regelmässig wieder zerstört. Das scheint sie jedoch nicht zu stören, sie fängt einfach wieder von vorne an.