Empathie

Eigentlich wollte ich eine Geschichte schreiben, wollte nicht über meine Erlebnisse berichten, sondern eine Geschichte erfinden, eine Geschichte, die sich hier in Koutaba abspielt. Aber es geht nicht, ich schaffe es nicht, die wahren Emotionen, den Einfluss der Traditionen, den wirklichen Alltag zu fühlen. Ich kann es mir vorstellen, im Kopf, ich kann es ab und zu auch im Bauch spüren, ich weiss zwar immer mehr, ich weiss gleichzeitig immer weniger.


Wie ist es tatsächlich, in einer Hütte aus Lehmsteinen zu wohnen, jeden Tag zu hoffen, dass genug zu Essen für alle hier ist? Wie ist es zu wissen, dass die eigenen Kinder sterben, weil man zu wenig hat, dass die Kinder wahrscheinlich ein vergleichbares Leben führen werden, dass es kein Entrinnen gibt?


Gerne hätte ich eine Geschichte geschrieben, eine Geschichte von einer Frau, die ausbricht, die ihr Leben in ihre Hand nimmt und die es schafft, ein besseres Leben zu leben. Die Frauen hier sind sehr stark, sie übernehmen die Initiative, sie sorgen für ihre Familien. Gleichzeitig sind sie schwach, sie haben keine Bildung, sie können sich nicht vorstellen, dass man Sachen auch anders machen könnte. Sie kämpfen mit dem, was sie auf ihren Weg mitbekommen haben, sie machen das Beste daraus, aber sie haben keine Möglichkeit, Neues zu lernen, Neues zu testen.


Wie ist es in einem Land zu leben, das dir jeden erdenklichen Stein in den Weg legt, wenn du etwas verändern möchtest, in einem Land zu leben, wo du schon mit sechzehn Jahren verheiratet wirst, womöglich mit einem Mann der dreimal so alt ist wie du und schon ein paar Frauen hat, in einer Ehe zu leben, in der du an deiner Kinderzahl gemessen wirst? Ich könnte die Geschichte immer nur aus meiner Sicht schreiben und ich wäre mit viel zu viel Wissen ausgestattet (und das obwohl ich oft das Gefühl habe, unwissend zu sein, denn es gäbe noch so vieles, das sich zu erfahren, zu erfühlen, zu Wissen lohnen würde).


Wenn Ajara mir von ihrem Mann erzählt, dann bin ich schockiert, dann denke ich, warum wehrst du dich nicht, warum verlässt du ihn nicht, und dann muss ich mir eingestehen, dass das hier Normalität ist und dass eine Frau ihren Mann nur verlassen darf, wenn er gewalttätig ist, ein Mann aber seine Frau aus jedem Grund verlassen darf. Omar, der für hiesige Verhältnisse sehr offen ist, glaubt dass die Männer die Frauen beschützen müssen. Frauen sind, auch für ihn, unfähig alleine zu bestehen. Wie kann ich da eine Geschichte aus der Sicht einer Frau in Koutaba schreiben? Es ist unmöglich.


Es ist ein wenig, wie wenn unsere Grossmütter erzählen, wenn wir zurück denken an die Zeit, als die Frauen bei uns nicht wählen, nicht abstimmen durften, als sie nur mit Erlaubnis ihres angetrauten Ehegatten arbeiten und Autofahren lernen durften, kein eigenes Bankkonto hatten, ohne Unterschrift des Gatten keine Unterbindung durchführen konnten, nur noch extremer. Und was so schlimm ist, die Frauen glauben den Mist der Männer, all die Gehirnwäschen, die Mantra, Frauen sind schwächer, Frauen sind dümmer, Frauen wissen nicht was sie tun, sie sind eingebrannt, in Fleisch und Blut.


In einem Kurs in Soziologie ging es um die Geschlechter, es ging darum, dass wir von zwei Geschlechtern ausgehen, dass jedoch, wenn wir eine rein genetische Sicht haben, viele Varianten existieren. Aber, unsere Sicht ist und bleibt, zwei Geschlechter. Etwas das wir zwar nur gelernt haben und trotzdem als völlig selbstverständlich ansehen, etwas das uns in Fleisch und Blut übergegangen ist, etwas das wir nicht einfach so, anders sehen können. Etwa so stelle ich mir die Situation der Frauen hier vor.


Darum kann ich leider keine erfundene Geschichte erzählen, darum werde ich weiter meine Erlebnisse beschreiben, denn auch eine Geschichte, in der ich die Protagonistin wäre, eine Erfolgsstory über das erste, einzige Centre de Santé in Kamerun, wo alles perfekt läuft, kann ich nicht schreiben, Inshallah, entsteht die Geschichte durch das Erlebte und wenn nicht perfekt, wer weiss, vielleicht keimt ein kleiner Samen, vielleicht wächst ein Pflänzchen.

Betriebsausflug

Das war eine super Idee! Eigentlich wollte ich zum Lac Bamendjimg, der liegt etwa dreissig Kilometer westlich von hier und muss sehr schön sein. Leider liegt der See aber in anglophonem Gebiet und es ist zu gefährlich dorthin zu gehen. So hat Omar einen anderen See, den Lac Petponoun ausgesucht. Dieser gehört jedoch einem Ressort und darf nur gegen Eintritt besichtigt werden. Und der Eintritt hats in sich! Wäre da nicht Susle dabei gewesen und hätte die nicht auf Googlemaps eine eintrittsfreie Lösung gesehen und fast daneben erst noch einen Kratersee, hätten die Anderen sich mit einer Kurzbesichtigung auf dem Weg zur Rezeption zufrieden gegeben.

Rafiatou mit Caisa

Wir waren fünf Frauen, zwei Kinder und Omar. Unsere Proviant, Sandwichs mit Avocado, Tomaten, Peperoni und Erdnussfüllung, Folere, ein Saft aus Hybiskusblüten und Wasser. Als Wandervögel kann man die Frauen nicht bezeichnen, sie fanden bald, dass es gut ist und ein Schattenplatz und der Verzehr ihres Sanwichs für sie perfekt sei, Assana, die erklärt hatte, sie liebe das Wandern, legte noch weitere hundert Meter zurück um dann zu den anderen zurück zu kehren. Omar und ich stiegen auf einen Hügel, von dem ich glaubte, dass man den Kratersee sieht und von dem Omar glaubte, dass man ihn nicht sieht, weil nämlich nicht existent, er hatte rumtelefoniert um rauszufinden wo dieser See sein könnte und auch im Ressort hat er danach gefragt und ihm wurde versichert, dass der See nicht existiert.

Und seit heute kann Omar damit prahlen, dass er einen Kratersee kennt, der eigentlich nicht existiert. Schön! Anders als auf dem Mont Mbapit, liegt der See in Mitten ausufernd spriessender Natur. Dort will ich einmal einen Tag verbringen, mit der Hängematte im Gepäck.

Assana

Nach Seeschau, Wanderung und frühem Mittagessen, fuhren wir weiter auf einen Markt. Und es war der aller schönste Markt bis jetzt. Ein kleiner Ort, Mbamkouop, mit einem riesigen Markt jeden Freitag und einer Präfektur, nur über Pisten erreichbar.

Zu fünft sind wir Frauen (und natürlich noch die zwei Kinder, aber die waren auf den Rücken parkiert, wo sie nicht zählen) über den Markt geschlendert, Ramatou, die zum Teil in dieser Gegend gross geworden ist, kannte alle paar Meter jemand und auch Rafiatou, die wahrscheinlich sowieso ein wenig alle kennt, umarmte und umarmte, Ajara traf auch einen Bekannten, nur Assana, kannte niemand, denn ich wurde von einem Herrn mit einem – das ist lange her, dass du das letzte Mal vorbei gekommen bist – begrüsst.

Ajara mit Arif

Wir haben viel gelacht, wir haben auf einem Platz getanzt, wir sind etwas trinken gegangen und ich habe einen riesigen Mörser gekauft. Eigentlich waren wir alle schon ziemlich müde, aber es fehlte noch ein See und das Dorf, mit der Mutter von Ramatou. Also, Achtung fertig Los! Holper, holper … bis es nicht mehr weiter ging. Dann halt zu Fuss, ins Dorf zu Ramatous Mutter.

Ramatou mit Caisa und ihrer Mutter

Die Freude war riesig und alle Dorfbewohnerinnen und -bewohner kamen zur Begrüssung und mit meinen paar Worten Bamoun konnte ich viele Punkte sammeln. Beschenkt mit Avocados und kamerunischen Kirschen, die weder wie Kirschen aussehen, noch wie Kirschen schmecken, jedoch etwa gleich gross wie Kirschen sind, wurden wir von den Leuten wieder zum Dorfausgang begleitet.

Auf dem Spaziergang zum dritten See, er hat keinen Namen, aber vor langer Zeit, hatte einmal ein Sultan dort gewohnt und von da gibt es noch eine Treppe, aber das war auf der anderen Seeseite, haben wir noch mehr Avocados aufgesammelt. Neben den Avocadobäumen wuchsen dort grüne Bohnen, Stangenbohnen, Maniok, Erdnüsse, Mais, Zuchettis, Bananen und vieles das einfach wächst (ich weiss, wir sagen dem Gjät). Der See war sehr romantisch. Mit Seerosen und mit zwei Fischern mit einfachen, schwimmenden Ruten.

Wir haben den Tag alle in vollen Zügen genossen! Für die Frauen war es etwas Besonderes, hier macht niemand einfach so einen Ausflug. Die Leute bewegen sich um etwas zu erledigen, oder um jemand zu besuchen, aber einfach so, das gehört nicht zum Programm.

Der Umgang der Frauen untereinander ist sehr herzlich, sie lachen gerne, necken sich gegenseitig und ich habe das Gefühl, sie sind überhaupt nicht nachtragend. Gleichzeitig erzählen sie auch von ihren Nöten und Problemen, sind offen, holen sich bei den anderen Rat. Ich glaube, die werden gut zusammen arbeiten und ich glaube auch, dass ich ihren Ehrgeiz etwas angestachelt habe, sie wollen ihre Arbeit gut machen.

Der kleine Arif war auch dabei. Ihm geht es wesentlich besser. Am Morgen war er noch etwas leidend und hat viel geschwitzt, aber am Nachmittag ist er dann aufgetaut und hat alle mit viel Charme und einem gkücklichen Lächeln um den Finger gewickelt. Ich bin so froh. Bei den vielen Todesfällen hier, hatte ich wirklich grosse Angst, dass Arif nicht überlebt.

Der Tag danach

Den gestrigen Abend verbrachte ich mit einem äusserst schrägen österreichischen Film. Hirschen. Da tauchte ich weg, kombiniert, Film und Capirinha. Ganz schaffte ich es jedoch nicht. Der kleine Junge, Arif heisst er, der gestern von seiner Mutter mit Medikamenten vollgepumpt wurde, lag im Spital mit einem akuten Nierenversagen. Da war ich froh um meine harsche Reaktion der Mutter gegenüber. Bei Kindern wird ein akutes Nierenversagen meist durch Medikamente ausgelöst (zum Beispiel Ibuprufen). Aber ich hatte auch grosse Angst um den kleinen Arif. Er hat es überlebt und es geht ihm schon wieder besser. Gott sei Dank.

Apropos Gott sei Dank. Heute bin ich auf meiner Wanderung an einer Kirche vorbei gekommen und habe drinn Gesänge gehört. Vielleicht gehe ich am Sonntag in die Kirche. Wenn wirklich so gesungen wird, wie ich das aus den Filmen kenne, vielleicht sogar so, wie in Blues Brothers, dann hätte es sich gelohnt. Und wenn nicht, hätte ich eine weitere Erfahrung gemacht.

Ich habe mich wieder beruhigt. Die schlechte Laune hat sich gelegt. Bis zehn Uhr habe ich geputzt und Wäsche gewaschen, propre Jeudi, sauberer Donnerstag, dann rumhölzeln, Brot backen für Sandwichs für morgen, zwei Stunden durch die Brouse spazieren, Einkaufen auf dem Markt, den Inhalt der Sandwichs vorbereiten, Essen und jetzt Schreiben. Mit diesem Programm habe ich wieder Zuversicht gewonnen und bin bereit, weiter Schritt für Schritt diesen unsäglich lahmarschigen Papieren entgegen zu gehen.

Auf meinem Spaziergang musste ich drei Bäche überqueren, den ersten kannte ich schon, dort sind immer Frauen am Wäsche waschen. Der nächste war nur ganz schmal und der dritte hatte es in sich. Er war breiter und anscheinend ein beliebter Übergang für die Böhs. Ich stand mehr als knöcheltief im Schlamm und habe danach den ganzen Weg gestunken wie ein Böh. Sogar auf dem Markt, wo die Gerüche sehr vielfältig und intensiv sind, blieb mein Böh Geruch dominant. Zuhause musste ich dann etwa fünf Minuten lang meine Stinkfüsse waschen. Jetzt stinkt es entweder nicht mehr, oder ich habe mich daran gewöhnt.

Nach dem Bach, beim Aufstieg durch die Brouse, Böhs, eine ganze Herde, ziemlich sehr grosse Hörner, ziemlich sehr viele, ziemlich sehr gross, wenn auch etwas mager, zielstrebig, Richtung Bach, ich bin ziemlich schnell aus dem Weg, hatte ziemlich grossen Respekt. Aber die Böhs sind einfach an mir vorbei gezogen, nur eines wollte mich ein wenig anschauen, es wurde vom Hirten weiter getrieben. Noch kurz für Pädu: sie machen tatsächlich eher böh als möh, ich habe heute gut zugehört.

Die Böhs gefallen mir und das nicht nur auf dem Teller. Das Fleisch ist zwar chüschtig, aber auch sehr zäh und muss bis zur Schuhsohlenqualität gegrillt werden. An den verschiedenen Ständen bekommt man es als sogenanntes Soya verarbeitet, das ist wie Schuhsohlengeschnetzeltes, lecker, serviert mit Zwiebelstücken und Piment.
So eine Herde Böhs, die am Morgen durch Bern zieht um dann auf der Allmend zu weiden und am Abend zurück ins Tscharni wandert, oder ins Kleefeld, das wäre schon schön.

Nächste Runde im Nerventest

Kennt ihr die Tage auch, die an denen ihr besser zu Hause geblieben wärt, die die lieber nicht stattgefunden hätten, die an denen das Hamsterrad immer noch an der gleichen Stelle dreht, die an denen ihr euch am liebsten in der Disco hinter dem Haus, mit der schlechten Musik und dem noch schlechteren DJ, mit Whisky besaufen würdet, obwohl ihr Whisky hasst, die Tage, an denen euch das Blogschreiben wie eine endlose Wiederholung der immer gleichen Wiederholungen von optimistischem Gedusel erscheint.

Das ist heute. Auf der Papierfront: Assana und Laborant, erledigt. Awa, am Morgen kam die Nachricht, dass sie morgen einen Termin mit der Dame, die die letzte Unterschrift geben muss, hat, am Nachmittag, dass die oben genannte Unterschriftendame, morgen nicht in Yaoundé weilt, dass am Freitag Karfreitag ist und am Wochenende Wochenende und sie also erst am Montag wieder vorbei gehen kann.

Schon am Morgen schaffte ich es eine der Mitarbeiterinnen zum Weinen zu bringen. Ihr kleiner Sohn (dreizehn Monate) ist krank. Unter anderem hat er Malaria, aber auch noch Husten und Bauchschmerzen, beziehungsweise eine aufgedunsenen Bauch. Die Mutter hat ihm zuerst eine Spritze mit drei verschiedenen Medikamenten (gegen Malaria, Antibiotika und für den Magen) gegeben, dann drei verschiedene Sirups (gegen Malaria und zwei für die Verdauung). – Warst du mit dem Kind beim Arzt? Hat ein Arzt das verordnet?- Nein, ich selber.- Da bin ich ausgetickt: – Da wollen wir gegen Selbstmedikation ankämpfen und sind selber nicht besser! Weisst du überhaupt ob diese Medikamente untereinander verträglich sind, man kann nicht einfach wild durcheinander Medikamente geben!- Da liefen die Tränen, zuerst hatte ich ein wenig ein schlechtes Gewissen, aber nur kurz. Dem Buben ging es wirklich nicht gut. Er war apathisch und stöhnte bei jedem Atemzug. Etwas später hatte sie sich dann endlich selber davon überzeugt zum Arzt zu gehen. Da frage ich mich dann schon, wieviel am Schluss hängen bleibt von unseren Gesprächen. Er ist zu tief verankert, der Glaube an die Medikamente und deren Allheilkraft. Die Schulmedizin wurde den Menschen mit dem Holzhammer eingetrichtert, die traditionelle Medizin mit der Peitsche ausgetrieben. Wenn du dann kommst und behauptest, dass nicht alles an der traditionellen Heilkunst Humbuk ist und dass vieles durchaus sinnvoll ist, dann machst du dich der Ketzerei verdächtig.

Die Kinder sind wieder in der Schule, die Kleinen entweder im Kindergarten, oder mit der Mutter auf dem Feld (die Mütter verlassen das Haus schon um 06:00 um aufs Feld zu gehen) und wir bleiben kinderlos. Das erleichtert die Arbeit im Centre nicht besonders, die Gefahr, dass die Übung in eine Art Arbeitstherapie ausartet ist gross. Unter diesen Umständen alle bei Laune zu halten, äusserst schwierig. Und heute hat es mich erwischt, meine Laune war im Keller. Ich war murrig und ziemlich unfreundlich. Das tut mir leid. Alles in allem haben die Frauen meine schlechte Laune mit Würde ertragen und alles gegeben um Madame Suzanne aufzuheitern. Und es wäre ihnen fast gelungen, hätte Omar nicht die Nachricht von Awa gebracht.

Caisa im Bad

Ursprünglich dachte ich, dass wir morgen, spätestens übermorgen die Papiere bekommen und dass wir möglicherweise am Wochenende arbeiten werden um die Eröffnung vorzubereiten, darum gab ich den Frauen für morgen frei. Im Nachhinein, bekommen sie trotzdem frei, um eine Übertherapierung im Arbeitstherapieprogramm zu verhindern. Und da unsere Hände extrem gebunden sind, was diese elenden Papiere anbelangt, gehen wir am Freitag auf einen Teamausflug. Teambildung nennt man das.

Noch ein kurzer Mäuseexkurs. Das elende Vieh hat trotz aller, von Dänu, angeschweissten Metallschranken, einen Weg gefunden um meiner Wohnung jede Nacht einen Besuch abzustatten. Und das Vieh ist hardcore! Ich weiss nicht ob es Kolleginnen und Kollegen mitbringt und sie zusammen im Wohnzimmer rumtoben und Mäusejagden veranstalten. Auf jeden Fall schmeisst sie alles um, zerwühlt den kleinen Teppich vor der Eingangstür und frisst den Deckel von der Ölflasche. Die Recherchen von Omar und mir haben zwei mögliche Eintrittsstellen ergeben. Beide sind in der Küche, von dort kann sie unter der noch ungesicherten Küchentür ins Wohnzimmer gelangen. Gestern verstopfte ich die Ritze mit einem Teppich. Das Resultat? Maus hat sich durch den Teppich gefressen. Wo wir vorhin von Arbeitstherapie gesprochen haben, das Vieh hat vielleicht vor mit mir eine Mäusetherapie zu machen. Der Schrecken ist auf jeden Fall schon ein ganz kleines bisschen kleiner. Lets hope! So oder so.

Schaukeln

Zuerst eine Malariaentwarnung. Das Fieber von Nérisa war nicht Malaria, sondern entweder eine Grippe oder ein Sonnenstich. Unserer, momentan immer noch einzigen, halben Patientin geht es heute schon viel besser. Sie bekam heute, natürlich in unserem Centre, eine Spritze in ihren Allerwertesten, das wiederholen wir noch viermal.

Ansonsten auch heute, Status Quo. Warten. Das heisst, Assana hat ihr Papier, der Laborant hat sich zu spät auf den Weg gemacht und muss morgen noch einmal hin und von Awa hatte ich bis Redaktionsschluss noch keine Neuigkeiten. Kinder sind heute keine gekommen, wie übrigens meistens am Dienstag, keine Ahnung warum. Aber die KiTa ist glaube ich kein wirkliches Bedürfnis, die Kinder kommen, wenn sie Hunger haben und spielen wollen und den Müttern ist es egal. So nutzte ich die Zeit für Sensibilisierung der Pflegekräfte. Und da muss ich schon immer und immer wieder staunen. Das Wissen, das die Frauen haben, ist extrem mies, bei den Pflegehilfen nicht erstaunlich, aber bei einer IDE (wir haben nämlich eine im Team, leider ohne Erfahrung und ausserdem fehlt ihr noch das Diplom), die zuerst ein Jahr Pflegehilfe gelernt hat und dann noch drei Jahre Pflegefachfrau, mit Spezialisierung als Hebamme, da staune ich unendlich über fehlendes Wissen. Die Frauen verordnen Therapien, flicken Verletzte zusammen und leiten Geburten, sie machen viel, viel mehr als wir in der Schweiz je dürften und wissen viel, viel weniger.

Heute diskutierten wir die prophylaktischen Antibiotikagaben bei der Geburt bei Mutter und Kind. Etwas, das hier routinemässig gemacht wird. Um erklären zu können, warum Hygiene die Gabe von Antibiotika ersetzt, fragte ich die Frauen, ob sie wissen, warum eine Frau nach der Geburt Blutungen hat. Keine hatte eine Ahnung, das Einzige, das sie wussten war, dass die Blutung stärker ist als bei einer Mens. Eine der Frauen wusste noch zu berichten, dass sie nach einem Kaiserschnitt unerwarteterweise auch Blutungen hatte. Als ich ihnen erzählte, dass die Blutung aus der Wunde kommt, die von der abgetrennten Plazenta (für nicht Medizinerinnen: Mutterkuchen, Nachgeburt) zurück bleibt und dass deshalb im Gegensatz zu einer Mens, wo eine Schleimhaut abgetragen wird, ein grosses Infektionsrisiko besteht, da haben sie grosse Augen gemacht und gestaunt. Warum die Frauen nach der Geburt keinen Geschlechtverkehr haben sollen (wenigstens das handhaben sie gleich wie bei uns), wird erklärt, dass die Milch durch den Geschlechtsverkehr schlecht wird und dadurch das Baby schwächlich. Mit einem Infektionsrisiko bringen die Frauen die Enthaltsamkeit nicht in Verbindung, die Geschichte mit der Milch glauben sie zwar nicht, aber eine andere Erklärung kennen sie nicht.

Auch die Babys bekommen nach der Geburt prophylaktisch Antibiotika. Einfach so, falls sie irgend eine Infektion haben könnten. Gleichzeitig leiden die Babys hier unter einer Krankheit, die rotes Füdli heisst (wird übrigens bevorzugt mit Pilzmitteln oder Antibiotika behandelt) und ein zweiter Vortrag von Frau Doktor Suzanne Lancer musste angehört werden. Darin ging es um die Besiedelung des Darms mit nützlichen Bakterien und um den grossen Rundumschlag der Antibiotikas und Frau Doktor Suzanne Lancer wagte die Hypothese aufzustellen, dass vielleicht ein Zusammenhang zwischen prophylaktischer Antibiotikagabe nach der Geburt und roten Füdlis bestehen könnte. Sie glaubten mir nicht recht. Die Frage ob sie selber nach der Einnahme von Antibiotika Durchfall bekommen, bejahten alle. Und, ein kleines Licht ging an.

Ich hoffe ganz fest, dass der eine oder andere Samen keimen wird. Aber eigentlich sollte man hier in der Ausbildung von Pflegefachkräften mitarbeiten. Denn dort wird ihnen eingetrichtert, dass alle eventuellen und konkreten Probleme mit Medikamenten gelöst werden können. Und dort wird ihnen wesentliches Grundwissen vorenthalten.

Etwa um 15:00 erwacht um das Centre ein reges Leben. Um 14:30 ist die Schule aus. Die Kinder kommen zum Wasser holen und zum Spielen. Die Erwachsenen folgen ihren Kindern zum Plaudern und die Schaukel wird rege benutzt.

Die Frauen sind dann schon gegangen und ich bin meist alleine im Centre. Auf einmal höre ich die Stimmen, zuerst kommen immer die Kinder. Sie wollen das Centre besichtigen (auch wenn sie es schon gestern und vorgestern gesehen haben) und dann wollen sie mit den Stofftieren und mit dem Fussball spielen. Heute hat sogar ein Junge mit seiner Mutter Frisby gespielt. Das ist der Moment in dem ich raus gehe um zu schauen, dass die Kinder keinen Mist bauen. Und das ist auch der Moment wo die Erwachsenen kommen. Sie wollen zwar nicht mit den Stofftieren spielen, auch der Fussball interessiert sie nicht, aber das Centre besichtigen, das wünschen sie sich alle, auch die Erwachsenen, egal ob sie schon zweimal da waren, man kann auch noch ein drittes, oder gar ein viertes Mal besichtigen und sich freuen.

Und auf der Schaukel, da sind dann alle wieder Kinder. Das Gekreische, gekicher, das herzhafte Lachen, die Freude, die Angst, generationenübergreifend… Die Frau auf dem blauen Plastikstuhl, hat diesen blauen Plastikstuhl auf ihrem Kopf mitgebracht. Es soll ja auch gemütlich sein, bei der Schaukel. Diese Momente haben trotz ihrer Öffentlichkeit eine tiefe Intimität an der ich teilhaben darf. Das ist sehr schön.

Malaria

Am Morgen ein Telefon von Nérisa – ich glaube ich habe Malaria – geh ins Spital, lass Dich testen. – Stunden später – ich bekomme die Resultate erst morgen, aber es ist wahrscheinlich Malaria. – Malaria trotz Prophylaxe, derselben Prophylaxe, die Dävu letztes Jahr genommen hat und mit der er mit einer Malaria nach Hause gekommen ist, verschrieben vom selben Hausarzt. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum diese Verschreibung eigentlich von Spezialistinnen für Tropenmedizin gemacht werden sollten. Jedes Malariagebiet hat andere Resistenzen. Lily und Hugo haben zum Glück ein anderes Medikament und ich auch.

Im Centre, Ajara, halblebendig, Malaria. Sie will nicht ins Spital, weil sie niemand hat, der zu ihrem gestillten Sohn schaut. Sie will die Infusion holen und zu Hause selber reinlassen. – Das kommt nicht in Frage! Was wenn du eine Reaktion auf die Infusion machst? Alleine zu Hause? Warum gehst du nicht zu deiner Mutter? Machst die Infusion dort? – Mein Mann akzeptiert das nicht. – Er ist etwas schwierig dein Mann? – Ja, das ist er. – Wir können nicht Gesundheit predigen und unser Personal ist krank. Ich begleite Ajara ins Centre de Santé Intégré, ja, genau das putzige, schöne in der Nähe. Ziel, Diagnose und Infusion holen, dann die Infusion bei uns verabreichen mit Überwachung. Kurz, unsere erste, halbe Patientin.

Wir gingen zusammen ins CSI. Der Boden war sauber, das wars aber schon. Wir wurden ins Behandlungszimmer gebeten, Ajara wollte, dass ich sie begleite. Dort wurden wir von acht Personen (alles Personal) empfangen, einige lagen auf der Unetrsuchungsliege, andere standen herum. Wenn die Krankenschwester einen Handgriff machte, assistierten mindestens zwei. Auch hier, der Boden war sauber. Das Plateau, auf dem die Zutaten für die Behandlung vorbereitet wurden, sah aus als ob es vor drei Monaten das letzte Mal gewaschen wurde. Die roten Krusten? Wer weiss, vielleicht eingetrocknetes Blut, oder eingetrocknete rote Erde? Auf jeden Fall eingetrocknet und rot. Die Medikamente lagerten unter dem Tisch, ebenso alles andere Material, auf dem Kühlschrank stapelte sich undefinierbares Material, Zweck, Alter und Herkunft nicht mehr bestimmbar.

Während wir dort waren, fand eine Kontrolle der Gesundheitsbehörde statt. Falls das Centre morgen noch geöffnet ist, bezweifle ich endgültig jedes Ineresse vom Staat an seinem Volk. Und ehrlich, wenn du im Personal ersäufst, warum setzst du dieses nicht vernünftig ein? Ajara bekam zuerst eine Spritze in die Vene, dann nahmen sie ihr kapillär Blut ab (für den Malariaschnelltest), dann eine Spritz in den Hinterteil und dann bekamen wir diverse Ampullen, Nadeln, Spritzen und eine Infusion. Damit gingen wir zurück ins Mbambeluh. Und das Resultat seht ihr oben.

Ich muss schon sagen, wir haben grosses Glück! Keine Malaria zu haben ist Lebensqualität. Diese Scheissmücken sind überall, es ist nicht wie bei den Zecken, die auch zum Kotzen sind, denen du aber ausweichen kannst. Und all die tollen Gadchets gegen Mücken, die wir haben und für uns mitbringen, die bleiben bei uns, den Europäern, den Kanadiern und so, Anti Brumm und Mückenstecker, zu teuer. Mückennetze, ja, aber die blöden Viecher stechen schon bevor du ins Bett gehst, schon in der Dämmerung.
Also, schauen wir in Europa, in Kanada und all den anderen Ländern, die kühl sind, dass es kühl bleibt und die Malaria nicht bis zu uns wandert.

Die Papiere? Fast, alle haben sie eingereicht, alle warten auf die Unterschriften. Morgen? Inshallah! Ich hoffe, dass, wenn wir endlich eröffnen, all die Diskussionen, all die Gespräche, all die Erzählungen, warum gewisse Sachen in der Schweiz ein „no go“ sind, Früchte tragen und wir von Anfang an einen Schritt weiter sind, als die anderen Centres.

Noch ein kurzer Exkurs mit Pädu zu den Böhs:

Salam🙋🏾‍♂ ….no churz e frag zu dine böhs. Sisi mängisch chli böhs, oder sägesi, wesi de mau öppis säge, schlicht und liislig böh?! Oooder sis tatsächlech dahus, wo glichlängi scheiche hei🤔😎😁😘? Greez, witermache.

Aleikum Salam
Auso di Böh mache möh u si Zebus u wärde zu Soya vrarbeitet u das isch nid das wo du dänksch, es isch ggrillt u nid vegi.
😘

..aaaah.. die mache MÖH🤗!!! Aber si zebus nid glich echli dahus? Wede möh machsch u süsch geng aune im wäg bisch, isch dä mitem soya de glich irgendwie chli vegan. Nid🤔😂

Aber si chöi uf bed Site loufe, auso Dahus definitiv nid!

….dahus chöi dänk aui sibe sitene erloufe! Vor irgend lang emau, het äbe dert e bärgpuur, mit sim bärgschnaps duzis gmacht u geng chli trouche. U när siger ufzmau zur hütte us, drei täg speter miteme verchrauete gring u verschrissne hosi ume ichetrappet u bhouptet äs sig eso. U weni, we ig, vier, scheiche, hätt, würdi gwüss o jedem sone chabis agäh u nümm jedem si schmare uf die site, när disi site trage… när passtsne de glich nid, no mau uf äi site düre u das nume zum sicher si, das die vorhähäregi site äbe gliiich die besseri wär gsi…! Oder…🤔🤣🤗😘

Ab zum Kloster

Ich brauchte ein Ziel, etwas Konkretes, etwas Energie kostendes, etwas um den Sonntag zufrieden, unkrisig zu verbringen. Zusammen mit Google-Maps entschied ich mich für eine Wanderung zum Zisterzienser Kloster Notre Dame. Zum Glück ist bekanntlich der Weg das Ziel und nicht die, von einem Soldaten mit Maschinengewehr bewachte 50er Jahre Anlage.

Der Weg bot mir fast alles was mein Herz begehrt, ausser Affen, obwohl ich jeden Baum bis zur Spitze studiert habe. Böhs sind durch die Brouse gewandert, im Wald haben die Vögel gezwitschert, gesungen, kommuniziert, Schmetterlinge in allen Farben und viel viel grün. Ich habe Avocadobäume gesehen, grösser als unsere Apfelbäume, voll mit Avocados. Ich hatte mir immer etwas zwischen Busch und Palme vorgestellt, das Bild kommt wahrscheinlich von den kümmerlichen, bei uns gezogenen Pflanzen. Dass es richtige Bäume sein könnten, hätte ich nicht gedacht.

Avocadobaum

Später fand ich den Weg in einen Wald, dort empfing mich eine wunderbare Ruhe. Nur die Vögel und ich, grosse Bäume, die ich mit Sperberaugen abgesucht habe. Erfolglos. Dafür sah ich orange, gelbe und blaue Vögel, was sehr schön war.

Der Wald war flach, keine Hügel, keine Steigung. Aber da war auf einmal eine Art grosses Loch, eine Treppe aus Erde führte hinunter und Pflanzen aus dem botanischen Garten (Gewächshaus) wuchsen dort unten. Soll ich runtersteigen, soll ich nicht? Lebt dort vielleicht ein Medizinmann oder sonst jemand. Logisch, die Neugier hat gewonnen. Die Treppe war glitschig und steil, aber es hat sich gelohnt.

Eine Quelle. Wenn es nicht mitten in Afrika wäre, wenn ich ein trockenes geschütztes Plätzchen gesehen hätte, dann hätte ich dort warten können, vielleicht wären die Affen zum Trinken gekommen, vielleicht auch andere Tiere und vielleicht auch Medizinfrauen. Aber es war alles feucht und klamm.

Etwa fünfzehn Kilometer bin ich heute gelaufen. Es hat sehr gut getan, ich bin über die Felder gegangen, habe mich mit den Frauen bei der Feldarbeit unterhalten, habe auf einem Avocadobaum gelesen und gegessen, habe gestaunt, geschaut und gelauscht. Die Gelassenheit kommt zurück. Morgen stürze ich mich wieder in unser Projekt und wenn mich die Verzweiflung überrollt, wandere ich zur Quelle und lasse die Ruhe wirken.

Vorhin ist jemand vor dem Haus mit seinem Moto gestürzt. Ich lag in der Hängematte, habe den Sturz nicht gesehen, habe nur den Aufprall gehört. Innert weniger als einer Minute standen mindestens fünfzig Menschen um den Verunfallten. Sie kamen von überall angerannt. Zum Glück ist nichts schlimmes passiert. Obwohl er zuerst wie tot auf dem Boden lag, konnte er bald wieder aufstehen und sogar wieder auf sein Moto steigen. Unfälle, Krankheit und der Tod sind hier allgegenwärtig. Omar sagt es sei die Regenzeit, die Saison der Todesfälle. Die Natur explodiert in neuem Leben und die Menschen sterben.

Es kriselet echli

Nein, es ist nicht schlimm… Nur ein wenig schlimm… Trotz intensiver Übung in Gelassenheit, trotz vorbildlicher Integrationsversuche, trotz meinem super Kampfoptimismus – könnten die vielen, vielen, unendlich vielen Scheisspapiere nicht endlich alle hier im Dossier sein? Ich bin das Warten leid. Ich will endlich im Centre de Santé Mbambeluh arbeiten. Aus all der Theorie soll jetzt subito Praxis werden!
Und sonst will ich mit Chrigu nach Frankreich fahren (Chrigu fährt morgen), dort lange Spaziergänge und Velotouren machen. Croissants essen, dem Feuer zu schauen, lesen, mit Chrigu diskutieren.

Mittwoch, die neue Deadline, Mittwoch, der neue Hoffnungsschimmer, Mittwoch… nicht die Eröffnung, nein, nur die vielen Stempel und Unterschriften, die Papiere, die Kopien, fürs Dossier, noch nicht eingereicht, noch keine Eröffnung.
In zwei Tagen bin ich eineinhalb Monate hier, Halbzeit, dann leide ich jetzt wahrscheinlich an einer kamerunschen Midlifecrisis. Das heisst, es geht vorbei. Aber es ist sehr anstrengend immer das Beste aus der Situation zu machen und gleichzeitig so wenig Einfluss auf eben diese Situation zu haben.

Heute waren Omar und ich in Foumban um noch die restlichen Sachen fürs Labor und den Untersuch zu organisieren. Ich bin gefahren und freue mich über die steigende Sicherheit hier auf der Strasse und im Verkehr.
Im Spital von Foumban führt der Chef Unterhalt der Geräte (Major de l’entretient), einen kleinen, und ich weiss nicht wie offiziellen, Laden für Labor- und Untersuchungszubehör. Er hat mir sogar einen Garantieschein für ein Jahr ausgestellt, mit Stempel und Unterschrift.

Omar in Traditionell, Spital Foumban

Auf dem Nachhauseweg haben wir Pilze gekauft, sind im staatlichen Pinienwald spazieren gegangen und haben in einer Bar etwas getrunken. So wurde es etwas mehr als nur ein Geschäftsausflug. Der Pinienwald ist ein staatliches Projekt. Die Pinien stehen in geraden Reihen. Die Stämme sind alle bis auf etwa einen Meter Höhe schwarz. Das ist vom Buschbrand in der Trockenzeit. Im Moment ist grad keine Trockenzeit, der Himmel hat seine Schleusen geöffnet und kübelweise Wasser ausgeleert. Der Pinienwald ist etwas trostlos mit seinen Reihen, der Boden voller Nadeln und nur vereinzelt ein paar Gräser. Und trotzdem, er hat gut getan, er hat etwas Vertrautes.

Auto fahren

Zum ersten Mal am Steuer sass ich auf der Fahrt von Kribi zurück Richtung Koutaba. Nérisa hat mir meinen internationalen Führerschein mitgebracht, jetzt darf ich offiziell fahren und ja, jetzt ist es auch Zeit es zu tun. Abdullah war sehr beeindruckt vom internationalen Führerschein, für ihn stellt das eine hohe Auszeichnung dar, wer so etwas bekommt muss extrem gut Auto fahren. Dass es sich nur um eine Übersetzung meines Führerscheins handelt, wollte er nicht gelten lassen. International ist international, das heisst, ich bin fit für die ganze Welt, fertig.

Ich hatte ziemlich Angst vor dem Fahren, es ist schon einfacher wenn Verkehrsregeln eine gewisse Gültigkeit haben, wenn es Vortrittsregeln gibt und wenn nicht dauernd einer auf deiner Fahrseite entgegen kommt. Andererseits bringe ich doch eine gewisse Erfahrung mit und wenn ich selber fahre, bin ich weniger ausgeliefert. Deshalb habe ich heute beschlossen, den Berlingo von Dänu zu fahren. Man muss äusserst aufmerksam bleiben, immer. Neben dem Gewusel, drei Autos und ein Moto nebeneinander, auf einer Strasse, die gemacht ist für zwei Autos nebeneinander, sind die Strassen zusätzlich gespickt mit tiefen, grossen, rumpligen Löchern. Also Tempomat und entspannt dahin rauschen ist nix. Ich habe es geschafft, war kein Verkehrshindernis, habe nichts gefährliches gemacht und kam in Koutaba an, ohne geschafft zu sein (ich gebe es zu, es waren auch nur zwanzig Kilometer) und werde das Auto wieder fahren.

Unsere Papiergeschichten im Centre nehmen neue Dimensionen an. Omar war gestern beim Sekretär des Delegierten für Gesundheit der Region West. Dieser hat Omar zu sich nach Baffousam gebeten um gemeinsam das Dossier anzuschauen und Lücken zu füllen. Das ist äusserst positiv, denn das heisst, dass wir von dieser Seite volle Unterstützung geniessen. Aber wie die Geschichte läuft, das ist Bürokratie in ihrer Reinform. Wir brauchen auch noch eine Legalisierung des Diploms von einer Laborantin oder einem Laboranten, unsere Laborantin hat nur ein Fähigkeitszeugnis, kein Diplom. Aber, schon haben wir einen Herrn an der Angel, der Laborant ist und sein Diplom für uns legalisiert (er wird nie bei uns arbeiten und möglicherweise das Centre nie von innen sehen, aber das ist egal, wir brauchen nur das Papier). Weiter brauchen wir einen Abwart, der sich als Kameruner legalisiert. Also was dieses legalisieren heisst, kann ich auch nicht genau sagen, aber auf jeden Fall bekommst du viele Stempel und Unterschriften. Wahrscheinlich beweist du damit, dass dein Diplom, beziehungsweise deine Identitätskarte keine Fälschung ist, eine andere Erklärung finde ich nicht. Auch Assana hat noch zu wenig Stempel und muss noch ein Papier mehr machen. Aber dann, dann sind wir hoffentlich endlich fertig.

Was ich gelernt habe ist, dass Ungeduld überhaupt nichts nützt. Ein Schritt nach dem anderen und das Ziel im Auge, den Glauben nicht verlieren. In der Zwischenzeit schweissen wir das Team zusammen, lernen uns kennen, mit unseren Stärken und Schwächen, visualisieren wir unsere Arbeit, diskutieren wir unsere verschiedenen Standpunkte, suchen wir nach Lösungen, führen wir die KiTa, sensiblisieren wir die Dorfbevölkerung und üben uns in Geduld. Wie schon gesagt, ausser beim Abschalten des Stroms, braucht alles seine Zeit. Ich passe mich langsam an, ich hoffe nicht zu fest. Immerhin muss ich nach meinem Aufenthalt hier wieder mit dem Schweizertempo mithalten.

Auch Awa, unsere IDE braucht Geduld, ihre Papiere sind fast fertig, sie braucht noch eine Unterschrift, die Dame, die diese geben soll ist jedoch ausser Haus.
Auch bei uns 8in der Schweiz) braucht man diverse Bewilligungen um ein Zentrum wie das Mbambeluh zu eröffnen, aber die Qualitätssicherung hört nicht mit der Bewilligung auf, ich kann nicht einfach die Papiere von jemand hinterlegen, der gar nie bei mir arbeitet, er trägt nicht nur theoretisch die Verantwortung, auch praktisch.

Weg von Papieren, hin zum Essen. Oben seht ihr die beste Avocado, die ich je gegessen habe. Sie wog sicher ein halbes Kilo und war einfach nur Hammer! Und von wegen Anpassung, ich glaube, ich habe den ultimativen Afrikatest bestanden! Ich habe Batons gegessen, das ist Maniok, der zwei, drei Tage im Wasser gelegen hat und dann in Bananenblätter gewickelt wurde (ich mache morgen eine Foto). Dävu und Dänu ertragen nicht einmal den Geruch und mir hat es geschmeckt, obwohl ich zugeben muss, dass ich sie mit Sauce gegessen habe, sonst sind sie schon etwas speziell.

Besichtigung des Centre

Mein Bauch, es geht ihm wieder viel, viel besser! Die Reiskur gestern hat gestopft und ich habe nur noch ein kleines bisschen Bauchweh. Und so war ich heute wieder im Centre. Das war gut. Etwa um 10h00 kamen zwei Herren und haben uns den Strom abgestellt. Rechnung nicht bezahlt. Die Rechnung wurde gestern in den Stromkasten gelegt, es sei aber schon die zweite, die nicht bezahlt sei. Omar hat die Rechnung gestern aus dem Stromkasten genommen (die Erste hat sich anscheinend im Stromkasten aufgelöst, Omar fand keine andere Rechnung im Stromkasten) und angerufen, dass er heute bezahlen kommt. Wenn die Leute hier immer so schnell arbeiten würden, wie beim Stromabschalten, dann hätten sie viele, viele Probleme nicht mehr. Mit einer unauffälligen Geldspende hätte ich die Abschaltung verhindern können, aber die Sonne hat geschienen, wir brauchten kein Licht, das Centre ist noch nicht eröffnet, die Geräte laufen nicht, wir kochen mit Gas und die Boiler fürs Warmwasser sind sowieso noch ausgeschaltet.

Nachdem die Frauen gegangen waren, blieb ich noch im Centre. Ich geniesse die Zeit, in der ich nachdenken und fertig einrichten kann, ohne dass mir jemand dauernd die Sachen aus den Händen nimmt. Ich war im Behandlungszimmer, als ich draussen die Kinder hörte. Die Kinder kommen am Brunnen das Wasser holen, sie sind noch recht klein (zwischen sechs und vielleicht zwölf Jahren) und tragen Kessel und Kanister von etwa zehn Litern auf ihren Köpfen nach Hause. Der Brunnen ist der Treffpunkt der Kinder. Sie kichern, necken sich und nutzen den Moment um auf dem grossen RittiPlampi zu schaukeln. Ich ging hinaus um ihnen zu zu schauen. Ich war erst an der Tür, da kamen sie angerannt, elf Kinder, und dann standen sie vor mir und schauten. Sie standen da, sie schauten mich an, sie sagten nichts. Ich merkte, die gehen nicht mehr, die bleiben, wir können jetzt hier stehen bleiben und einander anschauen und nichts sagen oder ich biete ihnen etwas. Also fragte ich, ob sie das Centre anschauen wollen. Jaaa! Einstimmig. Nichts mehr mit Dastehen und Schauen, die Kinder kamen in Bewegung.

Erster Raum, das Badezimmer, mit Toilette, Dusche und Lavabo. Wow! Elfstimmig. Zuerst haben sie fasziniert das Lavabo studiert, dann ebenso fasziniert die Duschbrause mit Schlauch. Gebärzimmer. Wow! Elfstimmig. Und so wurde jeder Raum mit einem elfstimmigen Wow kommentiert. Dann entdeckten sie die Kiste mit den Stofftieren. Nun wurden die Wows häufiger und das Geplapper von vorher, als sie sich unbeobachtet gefühlt hatten, wurde fortgesetzt.


Leider mussten sie die Stofftiere wieder zurück in die Kiste tun, aber jedes Kind hat den kurzen Moment mit dem Stofftier in seiner Hand genossen. Dann legten sie alle Tiere zurück, bedankten sich und rannten zum Brunnen um ihre Wassergefässe fertig aufzufüllen und nach Hause zu tragen.

Egal wo ich gegen Abend durch spaziere, an jedem Brunnen sind dutzende Kinder, die Wasser holen.