Ameisen statt Affen

Ich war endlich im Wald. Ausgerüstet mit Gummistiefeln, einem Stock und Omar als Begleitung bin ich in den Wald gegangen. Die Ameisen waren dort, wie das letzte Mal, nur dass wir diesmal vorsichtiger waren und meine Ohren verschont blieben, einfach nie stehenbleiben, immer weiter gehen, aber sie haben trotzdem gepisst und es hat gebrannt, aber ich habe das Feuer als Kreislaufanregung hingenommen und so war es erträglich. Der Wald ist Dschungel, alles dicht überwachsen, der Boden meist unter Wasser. Omar ging voraus und schlug mit der Machete einen Weg durch das Dickicht, ich tappte hinterher, zog hier und da einen Stiefel voll Wasser aus dem Matsch, tötete hunderte von Ameisen, lauschte den Vögeln und suchte die Bäume nach Affen ab. Es war anstrengend, ich sah keine Affen, der Körper brannte und ich war glücklich. Am Waldrand hatte mir Omar gezeigt wer, wie den Mais frisst, die Igel zerlegen die Blätter rund um den Kolben in kleine Fetchen und die Affen schälen den Kolben wie eine Banane, sie essen nur ganz junge Kolben, solche die noch weiche Maiskörner haben. Weiter zeigte er mir einen Mangobaum, den die Affen gerne besuchen. Aber er stufte die Chance welche zu sehen als sehr gering ein, sie haben grosse Angst vor Menschen und am ehesten bekommt man sie bei Regen zu Gesicht, weil sie anscheinend wissen, dass die Menschen vor dem Regen flüchten.

Dass der Wald derart unter Wasser steht hat nicht nur mit der Regenzeit zu tun, vor ein paar Jahren kam der Staat, ohne das Dorf zu informieren, und fing an den Wald zu roden und den Bach Ndoup umzuleiten, anscheinend um Boden für Reiskulturen zu gewinnen, mitten im Projekt hörten sie wieder auf und wurden nie mehr gesehen. Das Resultat war, dass der Wald mehr denn je unter Wasser stand und das Wasser auf die Felder floss, die Dorfbevölkerung versuchte den Schaden zu begrenzen und dem Ndoup wieder sein altes Bett zurückzugeben, dies gelang, jedoch nur begrenzt.

Nun, ich werde in Afrika gewesen sein und keine Affen gesehen haben, zum Glück gibt es Netflix und Co. so kann ich zu Hause, bequem auf dem Sofa, fern von lästigen pissenden Ameisen, ohne Stiefel voll mit Wasser, Dornen die kratzen, Affen aus nächster Nähe beobachten, wobei die schönsten Naturfilme werden immer von Musik untermalt und die echten Geräusche gehen verloren, so gesehen sind die pissenden Ameisen gar nicht mehr so schlimm, die vielfältigen Töne der Vögel und das Wissen, dass die Affen hier leben, machten den Ausflug zu einem sehr schönen Erlebnis.

Im Centre wiederholen sich Malaria und Typhus, jeden Tag, immer. Die Kinder werden gebracht nach dem ihnen schon grosse Mengen von Tabletten eingflösst wurden, nachdem sie schon seit Wochen fiebrig waren, nachdem niemand mehr weiss was man ihnen sonst noch geben könnte. Sie werden eingepackt in viele Decken, dicke Winterjacken mit hohem Fieber ins Centre gebracht, wenn wir ihnen dann die Decken wegnehmen, die Jacken ausziehen und die kleinen Körper mit kühlem Wasser waschen, werden wir zuerst gehasst, aber dann, wenn die Kinder spüren, dass es ihnen gut tut, dann lassen sie es gerne mit sich geschehen und wenn sie dann noch ein paar Becher Wasser, gierig, getrunken haben, geht es ihnen schon viel besser. Es ist ein wenig zum Verzweifeln. Die Eltern, die ihre Kinder bringen haben wir während unserer Sensibilisierungsbesuchen schon einmal gesehen, wir haben ihnen erklärt warum sie das Trinkwasser abkochen sollen, wir haben ihnen erklärt warum und wann man die Hände waschen soll und dann sitzen sie im Behandlungszimmer und hören unseren Ausführungen zu, wieder als wäre es das erste Mal. Es ist nicht so, dass sie ihre Kinder nicht lieben, sie sind ihnen wichtig, wenn auch vielleicht auf eine andere Art als wir es kennen, es ist eher wie ein Schalter, der auf Off steht und den wir irgendwie nicht finden. Die Kinder werden zwar erzogen, sie sind äusserst freundlich, wissen sich zu benehmen, aber was die lebenspraktische Erziehung anbelangt, die fehlt gänzlich, da sind sie sich selbst überlassen und so trinken sie dann irgendwo Wasser, essen ungewaschene Früchte und waschen mit Sicherheit keine Hände.

Und so kam es, dass ich heute einer Mutter und ihrer Schwester erklärte, dass wenn sie nicht die Verantwortung für die Erziehung der Kinder übernehmen und kleine Kinder sich selbst überlassen, auch die nächste Generation in der gleichen Scheisse stecken wird. Grosse Augen, ein hörbares nach Luft schnappen und dann ein verlegenes Lachen mit der Aussage, da hätte ich wohl recht. Wer weiss, vielleicht lauert der On Schalter in der brutalen Realität. Vielleicht müsste man die Familien jeweils ein paar Tage begleiten und mit ihr neue Abläufe einüben. Wahrscheinlich scheitert Veränderung am inneren Schweinehund, am fehlenden Stupf ins Hinterteil, an der Unfähigkeit sich die veränderte Situation vorzustellen, etwas das ich übrigens auch sehr gut kenne, weiss ich doch von vielem, dass es besser wäre, es anders zu machen, aber es hindert mich in keiner Weise daran, den alten Trott beizubehalten. So gesehen ist es nicht erstaunlich wenn es derart schwierig ist, etwas zu bewegen.

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