Sensibilisation

Ich habe gestern schon gestaunt, welche Themen bei unseren Hausbesuchen wichtig sind. Aber gestern war ich nicht dabei.
Zusammen mit Fatimatou machte ich mich heute auf den Weg zur Sensibilisierung. Hauptthema, Trinkwasser und Hände Hygiene. Beim ersten Haus kamen etwa sechs Frauen dazu. Zuerst meinten sie, dass ich hier bin um Medikamente und Brillen zu verteilen und dass ich Ärztin sei. Das Missverständnis konnte ich klären. Dann fingen wir an. Erklärten den Frauen, dass sie das Wasser zum Trinken abkochen sollen, grosse, konzentrierte Augen sahen uns an. Ich konnte es fast nicht glauben, hatten die Frauen das nicht schon hundert Mal gehört? Ist es möglich, dass sie entweder so schnell vergessen oder tatsächlich noch nie jemand mit ihnen darüber gesprochen hat? Durchfallerkrankungen gehören neben Malaria zu den häufigsten Krankheiten hier. Mit grossem Interesse folgten sie unseren Ausführungen, wann und weshalb man die Hände waschen soll. Haben sie das wirklich nicht gewusst? Ich bin ehrlich gesagt etwas ratlos und auch etwas schockiert.

Wir gingen von Haus zu Haus. Überall erzählten wir das Gleiche, überall staunende Augen, verständnisvolles Nicken, grosses Aha-Erlebnis. Das ist die Realität, verdammte Sch…, die Menschen hier, wissen viele Sachen nicht. Mehr den je, verstehe ich nach den Hausbesuchen den Wunsch von Omar, dass sich sein Dorf entwickelt. Menschen sterben an Durchfall und ein grosser Teil wäre zu verhindern mit sauberem Wasser und einer angemessenen Hände- und Lebensmittelhygiene.

Von den Frauen, die wir beim ersten Haus angetroffen haben, litten fünf an Bauchschmerzen und etwas Durchfall. Als ich ihnen erklärte, dass sie Milchprodukte und Öl reduzieren sollten, erntete ich entsetzte Blicke. Nicht wegen den Milchprodukten. In jedem Garten stehen Palmölpalmen. Jede Familie produziert ihr eigenes Palmöl. Ein Liter reicht etwa für zwei, drei Tage. Kochen ohne Palmöl, heisst, dann hat ja alles keine „Chuscht“ mehr. Das Argument, dass Salz auch hilft um die „Chuscht“ zu fördenrn, half.

Gegen zwanzig Familien haben wir besucht. In einem Register, das lieben die Leute hier, alles kommt in ein Register, haben wir den Namen der Person, mit der wir gesprochen haben und die Anzahl Personen im Haushalt registriert. Die Frage nach der Anzahl Personen im Haushalt, hat bei den meisten eine grosse Rechnerei ausgelöst. Ich war beeindruckt. Das hat man von den vielen Kindern. Man weiss nicht mehr genau, wie viele es tatsächlich sind. Und ob der Ehemann, der nur zweimal pro Woche im Haushalt lebt, auch gerechnet werden muss, macht die Rechnung nicht einfacher.

Auf unserem Rückweg ins Centre, kamen wir wieder an den Häusern, die wir besucht hatten, vorbei und siehe da, da waren Mütter dabei mit ihren Kindern die Hände zu waschen. Inshallah, machen sie es auch morgen und übermorgen.

Danach war noch Sitzung im Centre angesagt. Omar kam, um mit den Frauen ihren Arbeitsvertrag zu besprechen und für Lohnverhandlungen. Ich habe in dieser Zeit ein wenig in meinem Buch gelesen, ich habe nämlich fast kein Wort verstanden. Aber zum Schluss waren sich alle einig und das war das Ziel der Sitzung.

Es war ein schönes Bild. Auf der einen Bank sassen drei Frauen, jede ein Baby oder Kleinkind an der Brust. Sitzung auf afrikanisch.

Morgen, falls wir ohne weitere Steine im Weg, einen Schritt weiter kommen, kommt eine neue Bewerberin für den IDE Posten. Sie konnte heute nicht kommen, da sie familiäre Probleme lösen musste. Was? Hochzeit. Es gibt hier sehr viele Gründe, warum man nicht arbeiten kann. Da sind zum Beispiel Hochzeiten, dann sehr viele Todesfälle, dann ist am Freitag das Freitagsgebet, dann ist am Sonntag Sonntag und am Donnerstag ist „propre jeudi“. Der Saubere Donnerstag war ursprünglich dazu gedacht, dass die Bevölkerung zusammen bis zehn Uhr ihr Dorf, beziehungsweise ihr Quartier putzt und erst um zehn Uhr mit der Arbeit beginnt. Der Teil, um zehn Uhr mit der Arbeit zu beginnen, hat sich hartnäckig gehalten. Der Teil mit dem Dorf oder Quartier putzen, ist leider verloren gegangen.

2 Gedanken zu „Sensibilisation“

  1. Liebe Suzann, nach wie vor lese ich mit grossem Interesse täglich deine Berichte. Heute schon um 5 Uhr in der Früh. Dass Wasserkochen und Händewaschen unbekannt sind, kann ich kaum glauben. Ich hätte auch noch ein Thema, welches möglicherweise auch nicht bekannt ist, Verhütung? Ich bewundere dich um deine Geduld. Ich würde ab so viel Schlamperei verzweifeln. Halte die Ohren steif und mach weiter. Herzlich Mue

    1. Über Verhütung sprechen wir oft, aber da muss ich erst die Frauen im Centre genug sensibilisieren. Die wünschen sich zum Teil selber zehn Kinder. Da geht es zuerst darum, dass sie die Vorteile von kleineren Familien sehen.

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