Sympathie

Nach zehn Jahren Arbeit beim Contact, fingen mich die Junkies an zu nerven. Ich konnte nicht mehr mit der vorherigen Leichtigkeit, dem gleichen Gleichmut, der nie endenden Engelsgeduld arbeiten, ich hatte oft das Gefühl das ganze sei für nichts. Ich litt nie unter einem Helfersyndrom, wollte niemanden retten, meine Motivation war (und ist es nach wie vor), ein Tag mit Lebensqualität ist ein gewonnener Tag. Ich weiss, das ist das Gleiche wie im Poesiealbumspruch, „mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heitern Stunden nur“, aber ganz so einfach ist es nicht. Auch jetzt ist meine Motivation nicht helfen, ich stelle mir ein Geben und Nehmen vor. Aber es ist, wie immer, viel komplizierter. Meine Sympathie leidet. An der einen Front, sind die Männer, in meinen Augen, je länger ich hinschaue und hinschauen muss, eher schwache Personen, verhangen in hunderten von Traditionen, kulturellen Hindernissen, generationenalten Opferrollen, mit ausgeprägtem hyrarchischem Glauben, an der anderen Front die Frauen, die zwar den Power hätten, aber sich ebenso keine anderen Bilder als, das ist halt so, das kann man nicht ändern, vorstellen können. Das Ganze wird eingerahmt von einer korrupten Gesellschaft, wobei ein mickrig kleiner Teil profitiert und ein riesig grosser Teil darunter leidet. Aber der riesig grosse Teil beugt sich immer wieder und muckst nur auf, wenn der mickrig kleine Teil nicht hinhört.

Heute waren unsere „Helden“, der Dorfchef und Omar, in Bafoussam, beim Delegierten. Wir werden eröffnen, irgendwann, der Delegierte hatte gemeint, dass das Centre ein grosses Spital sei,- was habt ihr ihm denn erzählt, die vielen Male, die ihr schon dort gewesen seid? – und deshalb habe er bis jetzt keine Bewilligung ausgesprochen, – das waren die Anderen, die gesagt haben, Mbambeluh sei ein grosses Spital – Häää? – aber so sei es in einem Dorf mit 4000 Einwohnerinnen und Einwohnern sinnvoll zwei Centres zu führen, aber er müsse noch mit dem Chef de District … – hallo? Du bist sein Chef … -.
Der Dorfchef erwartete Applaus für die grosse Errungenschaft, aber ehrlich, ich kann nicht applaudieren, wofür, dafür, dass sie nicht fähig sind die Informationen zum Centre korrekt weiter zu geben oder dafür, dass sie Kommunikationskracks sind? Nein, es geht nicht, ich komme mir langsam vor wie in einem miesen Schmierentheater, eines mit schlechten Schauspielern oder Regisseur. Auch das Versprechen, dass wir nur noch bis Ende Woche warten und am Montag eröffnen, konnte nichts an meiner Unlust zu applaudieren ändern.

Ich war heute früh in einem der illegalen Centres von Koutaba und habe mit dem Chef dort gesprochen. Der Staat, beziehungsweise die Centres de Santé Intégrés wehren sich gegen alle privaten Centres. Das führt dazu, dass kaum ein privates Centre eine Bewilligung hat, gleichzeitig bleiben aber alle offen und werden mit Medikamenten und Impfstoff beliefert, weil der Aufstand der Bevölkerung bei einer Schliessung zu gross wäre und die Behörden das Risiko nicht eingehen wollen. Die CSI stehen überall in einem äusserst schlechten Ruf, da sie die Menschen auf jeder Ebene schlecht empfangen. Für mich heisst das, eröffnen und arbeiten und auf den Staat pfeifen, für den Dorfchef heisst das, kuschen katzbuckeln und gehorchen, dann sind wir etwas Besseres.

Während die Herren in Bassoufam weilten, haben die Damen geputzt. Das Centre glänzt! Wir können eröffnen. Aber auch mit den Frauen ist es nicht einfach. Das Thema Nummer eins, Medikamente! Medikamente! Medikamente! Resistenzen? Eine Erfindung der Schweizer? Wechselwirkungen von Medikamenten? Eine neue Mode? Nebenwirkungen? Risiken? Packungsbeilage? Was diese Europäer sich alles ausdenken, die sind total überreizt. Dabei ist es doch ganz einfach, da sind viele verschiedene Antibiotika, die helfen fast immer, und wenn nicht, dann ein Malariamittel, ein Wurmmittel, ein Pilzmittel und dazu noch ein Schmerzmittel, eine Beruhigungspille und wenn alles nichts hilft, vielleicht ein zweites Antibiotikum, eine andere Malariatherapie, höhere Dosierung beim Wurmmittel, das Pilzmittel direkt in die Vene. Und sowieso, wir wollen Patientinnen und Patienten und die wollen Medikamente, am liebsten Spritzen. Ich: – Ihr wollt anders sein als die anderen Centres, also, hier haben wir eine Chance. Wer einfach Medikamente will, kann ins CSI gehen, dann haben die auch noch etwas zu tun. Unsere Stärke soll eine gute Geburtshilfe sein, eine die sich unter den Frauen herumspricht, ein Ort wo sie gerne ihre Kinder gebären, wo sie ernst genommen werden. – Schweigen. Ich hoffe, das Schweigen bedeutet nicht, hoffentlich hält sie bald den Mund, ich hoffe das Schweigen bedeutet, dass die Zahnräder drehen, dass ein Denkprozess in Gang kommt.

Vorhin hat es geregnet, die Hitze des Tages, das Düppige, Schwüle hat sich aufgelöst und meine Sympathie, wenigstens für die Frauen, ist wieder ein bisschen gestiegen. Ich will hier noch bei ein paar Geburten dabei sein, will noch warten bis der Lavendel, den wir gesäät haben und der tatsächlich wächst, umgepflanzt werden kann. Vom Rosmarin, den wir auch gesäät haben, glaube ich, gibt es noch keine Spur.

Ein Gedanke zu „Sympathie“

  1. Salut Suzanne
    War in David’s Restaurant toll das essen hat mir geschmeckt, besonders das Dessert
    Darauf hat er mir Deine Blogadresse gegeben , doch ich hatte Anlaufsschwierigkeiten.
    Super Dein Blog und Deine Lebenserfahrungen.
    Es ist schon merkwürdig das es nun in dieser Zeit möglich ist mit Dir endlich Kontakt aufzunehmen.
    Schweiz-Afrika
    Vielleicht bist auch Du erfreut über mein Lebenszeichen
    Wenn ja dann schreibe ich Dir so gut mein Deutsch reicht.
    Wenn nicht wünsche ich Dir weiter alles beste auf dieser Welt.

    Eine tiefe Umarmung mit viel positiver Energie und vieleicht bis bald

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